Am Herd

Den Handschlag vermisse ich nicht

Wer den Handschlag verweigert, der brüskiert, der ist sich auch bewusst, dass er brüskiert.
Wer den Handschlag verweigert, der brüskiert, der ist sich auch bewusst, dass er brüskiert. (c) imago images / Panthermedia
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Worauf ich auch nach Corona gut verzichten werde können: das Händeschütteln. Eigentlich war es doch immer schon eine unsympathische Geste.

Und da waren diese Männer mit ihren Pranken. Die meine Hand nahmen und zudrückten. Ich habe nie genau gewusst, warum sie das machten. Wussten sie nicht um ihre Kraft? Hatte ihnen noch nie jemand gesagt, dass das wehtat, zumal, wenn das Gegenüber Ringe trug? Vielleicht war es ihnen aber auch einfach egal und sie wollten mich beeindrucken, Stärke zeigen, Dominanz. Wenn ich sie darauf ansprach, taten sie jedenfalls erstaunt. Manche lachten.

Der Handschlag. Er heißt schon so. Wer ergreift die Initiative? Wessen Hand kommt oben zu liegen, welche unten? Wird gedrückt oder geschüttelt und wie fest? Wer lässt als Erster los? So viele Botschaften der Macht in einer kleinen Geste, an die wir uns gewöhnt haben, die zum Gradmesser von Höflichkeit und Respekt geworden ist. Wer den Handschlag verweigert, der brüskiert, der ist sich auch bewusst, dass er brüskiert. Er hält den anderen auf Abstand, das kränkt. Also erziehen wir unsere Kinder: „Gib die gute Hand“, verlangen wir von ihnen. Aber die dreijährige Marlene wollte nicht, auch wenn die Pädagogin darauf bestand, sie scheute die Berührung. „Guten Morgen“, rief sie, lachte und drückte sich an der Kindergärtnerin vorbei in den Gruppenraum. Und dabei blieb es.


Winken? In Zeiten von Corona ist alles anders. Wie unhöflich wäre es jetzt, jemandem den Handschlag aufzudrängen. Noch wissen wir nicht recht, wie wir ihn ersetzen sollen. Durch eine angedeutete Verbeugung, die Hände vor der Brust gefaltet? Mit einem zackigen Tippen der Finger an die imaginäre Hutkrempe? Manchmal winken wir, aus gerade einmal zwei Metern Distanz. Wie seltsam fühlt sich das an! Früher machten wir so auf uns aufmerksam: Hier sind wir, schau doch her, in diesem Eck des Cafés, auf dieser Seite des Platzes! Oder wir nahmen Abschied, der winkende Arm war dann das letzte, was wir noch im Rückspiegel sahen oder aus dem Zugfenster.

Man winkt doch aus der Ferne, nicht aus der Nähe!

Aber andere Begrüßungsformen sind erst recht verboten. Die Umarmung etwa oder das doppelte oder dreifache Bussi, das so oft geschmäht wurde, aber warum nur? Weil die hingehauchten Küsse nicht echt sind, nicht von Herzen kommen? Aber es ist doch ein Ritual, es muss gar nicht ehrlich sein! Ich vermisse jedenfalls den Geruch von Parfüm, Aftershave oder nach Seife, die weiche Haut der Frauen, die Stoppeln der Männer. Ich möchte meine Freundin zum Abschied endlich wieder in den Arm nehmen können. Wie schön ist eine Hand, die beruhigend auf deiner Schulter ruht, die beiläufige Berührung.

Den Handschlag vermisse ich nicht.

bettina.eibel-steiner@diepresse.com

www.diepresse.com/amherd

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.04.2020)

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