Netflix-Serie

"Noch nie in meinem Leben …": So explosiv sind nur verliebte Teenager

Never have I ever
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„Never Have I Ever“, neu auf Netflix, erzählt erfrischend und gewitzt von den Nöten einer indisch-amerikanischen Jugendlichen.

„Lieber Gott“, sagt Devi, als sie vor ihrem kleinen Heimaltar kniet, und meint damit eigentlich mehrere Hindugötter. Es ist der erste Schultag nach dem Sommer, und Devi hat drei große Wünsche für das kommende Jahr. Erstens, weniger Armhaare bitte! Zweitens, einmal auf eine Party eingeladen werden, auf der es Alkohol und Drogen gibt. Nicht, um welche zu nehmen, sondern um sie mit cooler Beiläufigkeit ablehnen zu können. Und drittens, endlich einen Freund. Er muss nichts im Hirn haben, aber gut aussehen. Bitte, danke!

„Never Have I Ever“ heißt die neueste Netflix-Serie, die mit viel Humor und Empathie die Nöte einer 15-jährigen Kalifornierin mit indischen Wurzeln beleuchtet – benannt nach dem Partyspiel (hierzulande bekannt als „Ich hab noch nie . . .“), das Jugendliche gern nutzen, um sich über sexuelle Erfahrungen auszutauschen und gleichzeitig zu betrinken. Devi (gespielt von der kanadisch-tamilischen Schauspielerin Maitreyi Ramakrishnan) ist entschlossen, das Spiel auf allen Ebenen zu gewinnen. Sie steht am Anfang der aufregenden Teenager-Phase, in der man glaubt, bereits erwachsen zu sein und die Welt durchschaut zu haben. Sex, Liebe, Schulhof-Popularität, die ehrgeizige Devi hat ihre Ziele so genau im Blick wie ihre Princeton-Bewerbung: Als sie den Buben ihrer Begierde, den Schulschwarm Paxton (Darren Barnet), unverblümt fragt, ob er mit ihr schlafen wolle, und dieser ein bisschen perplex einwilligt, besiegelt sie die Abmachung mit einem Handschlag. Alles nach Plan! Wenn da nicht ihre Mutter wäre, die ihr den Kontakt zum anderen Geschlecht am liebsten bis zur Volljährigkeit ganz verbieten würde. Und die Trauer, die Devi seit dem Tod ihres Vaters vor einigen Monaten zu verdrängen versucht und die sich in den unpassendsten Momenten an die Oberfläche drängt.

Der Erzähler ist John McEnroe

Es widerstrebt der so furchtlosen wie verletzlichen Devi, ihr Trauma auszunutzen, um interessanter zu wirken, und so hält es auch die Serie. Ersonnen wurde diese von der US-Komikerin Mindy Kaling, die zwar auf gängige Settings und Handlungsmuster setzt – im Grunde ist „Never Have I Ever“ eine klassische Teenage-Rom-Com, inklusive Liebesdreieck und Freundschaftsdrama –, diese aber mit einer gewitzten Struktur, skurrilen Wendungen und angreifbaren Figuren aufwertet. Die Erzählstimme aus dem Off ist die des alternden Tennisstars John McEnroe, was anfangs wie ein schräger Kniff anmutet, letztlich aber aufgeht. Das sei jetzt auch für ihn unangenehm anzuschauen, sagt er, als Devi und ihre Freundinnen mithilfe von Kuscheltieren Sexstellungen üben.

Bei aller Selbstironie nimmt die Serie (die übrigens nie sexuell explizit wird) ihre Figuren ernst, lässt den Zuschauer gar mit ihnen weinen, bügelt ihre Schwächen aber nicht aus: Devi ist wie McEnroe ein impulsiver Hitzkopf – und so egozentrisch und widersprüchlich, wie ein Teenager nur sein kann. Beachtlich dargestellt ist die Beziehung zu ihrer Mutter, einer erfolgreichen Ärztin, die an den indischen Traditionen hängt (während Devi ihre Entjungferung plant, wird für ihre Cousine im Haus eine Ehe arrangiert) und über ihre in ihren Augen viel zu amerikanisierte Tochter in zehn Folgen kein gutes Wort verliert. Man schaut lächelnd zu und weiß, dass die beiden einander ähnlicher sind, als sie glauben wollen.

Aber natürlich ist Devi überzeugt, dass ihre Probleme die größten sind. In einer der besten Szenen fährt sie mit der Schule zu einem Model-UN-Planspiel, wo sie, stinksauer über einen Rückschlag in ihrem Liebesleben, jede Diplomatie über Bord wirft: Da sitzen alle hinter ihren Flaggen, und plötzlich erklärt Äquatorialguinea den USA den Atomkrieg! Die Entschlossenheit verliebter Teenager ist wirklich nicht zu unterschätzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2020)

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