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Corona-Krise: Wie sich unsere sozialen Kontakte verändern

©Getty Images/iStockphoto (kzenon)
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Durch die Covid-19-Pandemie sind unsere direkten sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert. Mit einem Citizen Science Projekt möchte das IST Austria verstehen, wie sich die Corona-Krise auf unser persönliches Verhalten auswirkt.

Erst schließt das Lieblingslokal, dann das Fitnessstudio, es fällt der Gottesdienst aus, man befindet sich im Homeoffice und selbst der Verwandtenbesuch ist nicht mehr möglich. Soziale Distanz ist in der Corona-Pandemie das Gebot der Stunde, um die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 zu unterbinden. Direkte Begegnungen sollen auf ein Minimum beschränkt werden, damit die Kurve der Neuinfektionen abflacht.

Das Bedürfnis nach sozialem Austausch ist jedoch universell, fehlender sozialer Austausch hat bei allen Menschen Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit. Wir müssen unter erschwerten Bedingungen sowohl unsere Arbeit als auch Freizeit neu strukturieren. Gewohnheiten im Familienleben und Freundeskreis haben sich geändert. In der jetzigen Situation sind neue Routinen zu entwickeln, um das psychische Wohlbefinden zu sichern.

Das digitale Corona-Tagebuch

Wie unterschiedlich gehen Menschen mit dieser ungewöhnlichen Situation um? Welche Folgen wird die Reduktion der sozialen Kontakte auf unser Leben haben, heute und in Zukunft? Wie stark können und wollen wir die verschiedenen Bereiche unseres Zusammenlebens mit digitalen Kontakten ersetzen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, haben Wissenschafterinnen und Wissenschafter am Institute of Science and Technology Austria in Klosterneuburg (IST Austria) das Corona-Tagebuch CoKoNet als Citizen Science Projekt gestartet. Jeder ist dazu aufgerufen, bei CoKoNet (Corona Kontakt Netzwerk) über die Webseite cokonet.pages.ist.ac.at in einem fortlaufenden digitalen Tagebuch die Veränderung der eigenen sozialen Interaktionen zu dokumentieren. 

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Die subjektive Perspektive auf die Krise

Die Zahl der aktuellen Erkrankungen, der Reproduktionsfaktor R, der Prozentsatz der belegten Intensivbetten – diese Daten bilden lediglich messbare Faktoren der Pandemie ab, jedoch nicht die subjektive Perspektive der Menschen auf die Krise. Der Ansatz von CoKoNet, die Veränderungen unseres Verhaltens aufzuzeichnen und zu verstehen, kann einen Vorteil bei der Bekämpfung künftiger Epidemien bringen. "Als Forschungsinstitut machen wir das, was wir am besten können: Daten sammeln, analysieren und für die Zukunft aufbereiten", so IST Austria Präsident Thomas Henzinger: "Mit CoKoNet können wir wichtige Erkenntnisse liefern, die zu besseren Strategien in der Zukunft führen."

Das soziale Immunsystem analysieren

Entwickelt wurde das Projekt von einem interdisziplinären Team des IST Austria unter anderem aus den Bereichen Evolutionsbiologie, Daten- und Computerwissenschaft. Professorin Sylvia Cremer beispielsweise forscht am IST Austria als Verhaltensbiologin und evolutionäre Immunologin daran, wie Ameisen als soziale Insekten Krankheiten bekämpfen. "Wenn sie mit einem Krankheitserreger in Kontakt kommen, verringern die direkt betroffenen Tiere, aber auch die Tiere, die normalerweise mit ihnen interagieren, ihre Sozialkontakte zur restlichen Kolonie. Ameisen praktizieren dieses soziale Immunsystem seit Millionen von Jahren. Wir sehen nun auch, wie erfolgreich wir es als Mensch einsetzen können", so Cremer. Mit CoKoNet möchte das IST Austria nun analysieren, wie sich das menschliche Sozialverhalten während der Corona-Krise auf verschiedensten Ebenen des Alltags verändert.

Indizien für die Veränderungen

Hinweise, wie sehr die aktuelle Corona-Pandemie und die daraus folgenden Einschränkungen unsere Gewohnheiten geändert haben, zeigen vereinzelt bereits andere, allgemeine Daten:

  • Mitte März ist der Stromverbrauch in Österreich aufgrund der Corona-Krise laut Austrian Power Grid innerhalb einer Woche um rund 10 Prozent eingebrochen – das entspricht nahezu der Strommenge, die das Land üblicherweise an einem Sonntag verbraucht.
  • Ein Indiz für einen geänderten Tagesablauf ist der derzeitige Wasserverbrauch. Die Daten legen nahe, dass die Menschen in Österreich länger schlafen. Die Spitzen im morgendlichen Wasserverbrauch treten später auf, die abendlichen Verbrauchsspitzen sind hingegen früher, so Wasser Tirol. Insgesamt ist der Wasserbedarf gleichmäßiger über den Tag verteilt.
  • Die IT-Konzerne Apple und Google haben anonymisierte Bewegungsdaten veröffentlicht, wie sehr die Ausgangsbeschränkungen die Mobilität einschränkten. Die Österreicherinnen und Österreicher sind nicht nur deutlich weniger mit dem Auto (minus 41 Prozent) sondern auch seltener zu Fuß (minus 56 Prozent) unterwegs.
  • In der Corona-Krise gibt es eine erhöhte Nachfrage nach bestimmten Gütern. Laut den Daten des deutschen Statistischen Bundesamtes lagen die Verkaufszahlen in der ersten Aprilwoche etwa von Seife (130 Prozent), Reis (12 Prozent) und Zucker (10 Prozent) über dem Durchschnittswert der sechs Monate zuvor. Allerdings schwankten die Verkaufszahlen von Woche zu Woche teils stark, und dies nicht nur bei Artikeln wie Toilettenpapier oder Hefe.
  • Welche Spuren die Krise im Einkaufsverhalten hinterlässt, zeigt auch eine Gallup-Umfrage: 67 Prozent geben an, nach der Krise mehr regionale Produkte und 63 Prozent, bei heimischen Unternehmen kaufen zu wollen.

Mehr Informationen unter:cokonet.pages.ist.ac.at

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