Soldaten als Polizisten: Geht das überhaupt?

Archibild: Soldaten vor der Britischen Botschaft in Wien, aufgenommen im Sommer 2016.
Archibild: Soldaten vor der Britischen Botschaft in Wien, aufgenommen im Sommer 2016.(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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In Wien werden Botschaften und Konsulate in der Coronakrise von ungefähr 70 Soldaten überwacht. Namhafte Verfassungsrechtler sehen das kritisch.

Einsam stehen sie da. Sie tragen ihre Bundesheer-Uniformen, sind mit Heeres-Dienstpistolen (P 80) und Pfefferspray bewaffnet. Ihr Job ist es, etliche in Wien angesiedelte Botschaften, Konsulate und diplomatische Residenzen zu überwachen. Aktuell sind es „15 Objektbereiche“ (Militärjargon). Dort, wo zuletzt noch Polizisten Dienst taten, sind nun, in der Coronakrise, Soldaten am Werk. Doch dies sehe die österreichische Bundesverfassung nicht vor, meint der Verfassungsrechtler Heinz Mayer (vormals Dekan der juridischen Fakultät in Wien) im Gespräch mit der „Presse“.

Dabei wird Mayer deutlich: „Ich halte das für verfassungswidrig.“ Das Bundesheer könne sehr wohl im zivilen Bereich tätig werden, vor allem um bei Katastrophen Hilfe zu leisten. Auch in Sicherheitsfragen sei ein Assistenzeinsatz nicht ausgeschlossen. Zum Beispiel bei einer Bedrohung von Staatsorganen durch Terror. Wachdienste vor Botschaften hingegen seien durch den entsprechenden Artikel der österreichischen Bundesverfassung (Artikel 79, Absatz 2) nicht erfasst. Allerdings seien auch keine unmittelbaren rechtlichen Konsequenzen daran geknüpft, wenn das Heer diese Aufgaben trotzdem wahrnehme.

Lob von Verteidigungsministerin Tanner

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) erklärte zuletzt nicht ohne Stolz: „Solange die Polizei unsere Unterstützung benötigt, solange werden gut ausgebildete Soldaten einsatzbereit sein.“ Zur Erinnerung: Auch in der Flüchtlingskrise, im Sommer 2017, fungierten Soldaten in Wien als Botschafts-Hüter - auch damals um die Polizei zu entlasten.

Der Verfassungs- und Verwaltungsrechts-Experte Bernd-Christian Funk möchte Mayer „nicht unbedingt widersprechen“, dennoch hat er eine differenzierte Meinung zur Wachtätigkeit von Soldaten vor Botschaften Funk: "Ich würde es anders sehen". Nämlich so: „Wenn vom Bundesheer eine sicherheitspolitische Aufgabe übernommen wird, die ansonsten nur unter Schwierigkeiten von zivilen Behörden übernommen werden könnte, lässt sich das mit einer Auslegungsdehnung verfassungsrechtlich unterbringen.“ Und die Bewachung von Botschaften könne man - Stichwort: Auslegungsdehnung - als staatspolitische Aufgabe der Republik sehen. Ein solcher Assistenzeinsatz müsse aber „sicher starke Gründe haben“. Die Corona-Krise wäre möglicherweise so ein Grund. Aber: „Innenministerium und Verteidigungsministerium müssen darstellen können, dass es ohne Bundesheer-Einsatz eine bedrohliche Lücke in der Aufgabenerfüllung durch die Polizei gibt.“ Es müsse also „empirische Grundlagen“ für den Militäreinsatz geben.

Bundesweit führen derzeit 1300 Soldaten diverse Assistenzdienste durch – in allen Bundesländern. Das reicht von Grenzkontrollen bis hin zur Überwachung kritischer Infrastruktur.

Die Obersteiermark hilft der Hauptstadt

Aber zurück zu Wien und den diplomatischen Einrichtungen (derzeit wird übrigens auch die Erdöl-Exportorganisation Opec vom Heer bewacht): Treibende Kraft war die Landespolizeidirektion (LPD). Sie suchte beim Bundesheer um Hilfe an. Die Militärs ließen sich nicht lange bitten. Umgehend wurden (nach einem ersten, kürzeren Einsatz des Kommandos Militärpolizei) Unteroffiziersanwärter, also Berufssoldaten, des obersteirischen Jägerbataillons 18 abkommandiert. Derzeitige Stärke vor den „Objekten" in Wien: etwa 70 Soldaten.

Deren Befugnisse sind enger gefasst als jene der Polizei. Die Heeresangehörigen dürfen zwar die Identität von Personen feststellen, aber sie dürfen niemanden festnehmen. Bisher ist der – ursprünglich für drei Monate geplante – Einsatz laut Polizeisprecher Patrick Maierhofer „sehr ruhig“ verlaufen. Verfassungsrechtliche Probleme sieht die LPD Wien nicht. Sie verweist ebenfalls auf den Artikel 79 der Bundesverfassung. Dieser gebe einen solchen Assistenzeinsatz sehr wohl her.

Ganz abgesehen von rechtlichen Kontroversen zieht das Heer selbst eine positive Zwischenbilanz bezüglich des Schutzes von „Völkerrechtsobjekten“ (wieder Militärjargon). Hauptmann Manfred Schweiger, der Kommandant jener Kompanie, aus welcher die Botschaftsbewacher kommen, teilt der „Presse“ mit: „Das ist bis jetzt ein sehr runder Einsatz.“

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