Nabucco: Störfeuer aus Russland

Nabucco Stoerfeuer Russland
Nabucco Stoerfeuer Russland(c) EPA ALEXANDER ZEMLIANICHENKO
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Gazprom-Vizechef Alexander Medwedjew umwirbt die deutsche RWE als Partner für die Nabucco-Konkurrentin South Stream. Experten bezweifeln, dass beide Gasrouten im Süden gebaut werden.

Wien/Moskau. Treibt Russland einen Keil zwischen die Partner des Nabucco-Konsortiums? Gazprom-Vizechef Alexander Medwedjew persönlich soll versuchen, die deutsche RWE für das Konkurrenzprojekt Russlands, die South-Stream-Pipeline, abzuwerben, schreibt das „Handelsblatt". Die geplante Nabucco-Pipeline der EU ist Moskau längst ein Dorn im Auge. Ab 2014/15 soll durch sie Gas aus dem kaspischen Raum nach Europa fließen, was die Abhängigkeit von russischen Importen mindern soll.

Gazprom hingegen, die derzeit allein ein Viertel des europäischen Gasbedarfs deckt, kämpft um ihren Einfluss in der Region. Erst heuer wurde mit dem Bau der Nord Stream begonnen, die Gas durch die Nordsee aus Russland nach Europa bringen wird. Ihr Schwesterrohr im Süden wäre die South Stream.

Beide Pipelines mit Problemen

Entscheidet sich der deutsche Konzern nun für das Angebot der Russen, wäre das der Todesstoß für Nabucco, schlussfolgert die Zeitung. Offiziell stärkt die RWE dem europäischen Projekt weiter den Rücken. Nabucco passe gut zur Konzernstrategie, erklärte RWE-Sprecher Michael Rosen. Es gebe keine Pläne, das Konsortium zu verlassen. Dementieren wollte er die Gespräche mit Gazprom aber doch lieber nicht. Der russische Monopolist selbst gab sich ebenso schweigsam wie die Projektgesellschaft Nabucco mit Sitz in Wien. Marktgerüchte kommentiere man nicht, hieß es unisono.

„Das Gerücht wurde sicher von Gazprom gestreut, um Nabucco zu schwächen", sieht Dmitri Absalov, Gasexperte des Moskauer Zentrums für Politische Konjunktur, den Informationskrieg zwischen beiden Konkurrenzprojekten in eine heiße Phase treten. Die Gespräche selbst seien laut Absalov zwischen allen Energiegesellschaften und daher auch zwischen Gazprom und RWE schon lange üblich. Der Informationskrieg werde zum Herbst hin noch zunehmen, denn bis zum Jahresende sollten wichtige Entscheidungen für die Pipeline fallen. Und weil möglicherweise nicht beide Pipelines in Europa benötigt würden, gehe es um ein Wettrennen. Ende des Jahres will die EU über eine Unterstützung des Projekts entscheiden.

Noch mangelt es Nabucco aber an Lieferanten. Die Hoffnung der RWE, im Juni erste Lieferverträge mit Turkmenistan und Aserbaidschan unterzeichnen zu können, hat sich nicht erfüllt. Die Länder zieren sich und werden von Moskau unter Druck gesetzt, ihr Gas exklusiv nach Russland zu liefern. Gazprom müht sich derweil mit den South-Stream-Transitländern Bulgarien und Ungarn ab. „Das Gerücht über eine Abwerbung des finanziell starken Nabucco-Partners RWE soll daher Bulgarien und Ungarn verängstigen."

„Zu wenig Gasbedarf in Europa"

Was würde der Abgang dieses kapitalstarken Partners aber für die Nabucco bedeuten? Das Aus? Öl- und Gasexperte Johannes Benigni hält das für Unsinn. „Das kratzt die Nabucco überhaupt nicht", sagt er. Schließlich habe sich auch die heimische OMV bereiterklärt, ein South-Stream-Teilstück in Österreich zu bauen, ohne dass jemand das Projekt infrage stelle. Problematisch werde es erst dann, wenn mehrere Partner Nabucco tatsächlich verlassen würden.

Das größere Problem ortet er in der Nachfrage nach Erdgas in Europa. Bis 2015, so schätzt er, brauche die EU gerade einmal 50 Mrd. Kubikmeter neues Erdgas. Das sei zu einem guten Teil bereits durch die Nord Stream abgedeckt. Nabucco oder South Stream ginge sich „gerade noch aus". Beides hält er für unwahrscheinlich.

„Ich glaube nicht, dass South Stream große Chancen hat", sagt auch Vasily Astrov, Energieexperte am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche. Die Pipeline sei zu teuer, die Nachfrage unsicher. Gute Nachrichten für Nabucco? Mitnichten. Die Chancen für das EU-Prestigeprojekt stehen seiner Ansicht nach noch schlechter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2010)

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