Porträt

Befriedigung mit Selbstauslöser

Pascal Petignat
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Die Künstlerin Sophie Thun bestreitet in der Secession die erste institutionelle Ausstellungseröffnung seit Shutdown: Eine Überwachungskamera zeigt sie beim Archivieren ihrer selbst.

Bisschen gespenstisch ist es schon: Wenn man über einen Livestream beobachten kann, wie man eine Künstlerin bei der Arbeit stört, weil man sie gerade anruft. So geschehen am Mittwoch, als Sophie Thun in ihrer neuen Dunkelkammer im Kabinett der Secession ihr Telefon abhob. Dran war „Die Presse“, ein paar Stunden später folgte dann die Online-„Eröffnung“ dieser ersten Ausstellung einer Institution seit Shutdown. Denn zugänglich wird die Secession erst Mitte Juni wieder sein. Da ist das Projekt der 1985 in Warschau geborenen, in Wien lebenden Künstlerin auch fast schon wieder zu Ende. Kurzerhand habe sie ihre länger geplante Ausstellungsidee für diesen kleinsten der drei Secession-Räume für den digitalen Raum adaptiert, erzählt sie. Man müsse mit dieser Situation doch umgehen, neue Modelle denken, nicht zwanghaft versuchen, das zu tun, was man sonst tun würde.

Thun ist eine der spannendsten Künstlerinnen ihrer Generation in Wien, die in den vergangenen drei, vier Jahren durch ihre formal berückenden, performativen Fotoarbeiten auffiel. Bei der vorigen Viennacontemporary-Kunstmesse etwa, bei der sie mit Galeristin Sophie Tappeiner einen Solostand zugesprochen bekam. Zu sehen waren schwarz-weiße Fotocollagen, die zwei Techniken und je zwei Selbstporträts trickreich kombinierten: Man sieht darauf immer Thun selbst, in einem der vielen Hotelzimmer, die sie im Zuge ihrer Assistentinnen-Arbeit für einige erfolgreiche Künstler bewohnte, beim Sex mit sich selbst. Und im dunklen Rahmen dieses voyeuristischen Einblicks die lichten Abdrücke ihrer zwei Hände, wie sie ihre beiden Selbstakte während des Belichtungsprozesses zueinander verschiebt. Klingt kompliziert, ist aber ästhetisch wie theoretisch spannend, geht es doch darum, die von Susan Sontag so eindrücklich beschriebene „Gewalt“ der Kamera über (nackte) Frauenkörper in die eigenen Hände zu bekommen. Mit Selbstauslöser, Selbstbefriedigung und Selbstentwicklung sozusagen.

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