Quergeschrieben

Kickl hat recht: Es reicht! So viel Heuchelei geht gar nicht

CORONAVIRUS: PK FPOe 'AKTUELLES UND PLENARVORSCHAU': KICKL
CORONAVIRUS: PK FPOe 'AKTUELLES UND PLENARVORSCHAU': KICKLAPA/GEORG HOCHMUTH
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Der FPÖ-Klubchef als Verteidiger der Menschenrechte, als Gegner einer „Politik der Angst“. Seit wann? Den Ibiza-Enthüllern gebührt eigentlich ein Orden.

Zugegeben, das ist keine so gute Idee. Wenn man sich in diesen unfrohen Zeiten einen Schuss Zynismus erlauben darf, dann vielleicht schon: Eigentlich gebührt jenen, die 2017 den damaligen FPÖ-Chef, Heinz-Christian Strache, in die Ibiza-Falle gelockt haben, ein Orden. Keine gute Idee deshalb, weil einer der Drahtzieher laut Medienberichten jetzt als Kokainhändler gesucht wird.

Anerkennung gebührt jedenfalls jenen Kollegen von der „Süddeutschen Zeitung“, die vor einem Jahr den Videobeweis der Ibiza-Falle in die Hände bekommen und veröffentlicht haben.

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Oder kann sich jemand vorstellen, dass die komplizierten Berechnungen der Coronapandemie, die im März zum plötzlichen Stillstand der Republik geführt haben, nicht von einem Sozialminister Rudolf Anschober, sondern von Beate Hartinger-Klein erklärt werden? Oder die Sistierung der Grundrechte in die Hände eines Innenministers Herbert Kickl gelegt werden?

Die FPÖ hat jetzt völlig recht, wenn sie den Slogan „Jetzt reicht's“ (wieder) verwendet, allerdings anders, als sie ihn verstanden haben will. Es reicht nämlich jetzt mit der Heuchelei, deren Gipfel Kickl dieser Tage mühelos erklommen hat. Bei einer Pressekonferenz und im Parlament spielte er sich zum wahren Hüter der „Freiheit“ und der Grund- und Menschenrechte auf.

So kurz kann das Gedächtnis gar nicht sein, dass sich niemand daran erinnert, wie Innenminister Kickl sich im Jänner 2019 „mit diesen Regelungen anlegen“ und auf die Europäische Menschenrechtskonvention pfeifen wollte. Es handle sich, so Kickl damals, um „irgendwelche seltsamen rechtlichen Konstruktionen (. . .) die hindern uns daran, das zu tun, was notwendig ist.“ Was könnte Kickl wohl jetzt mit allem, was „notwendig“ ist, anfangen.

Vor allem aber reicht's, wenn er gegen die „Angstmache“ der Regierung tobt. Sie ziehe sich wie ein „roter Faden“ durch die Politik von Sebastian Kurz. Ein „Skandal der Sonderklasse“ sei es. Die FPÖ hat jahrelang, ja eigentlich zwei Jahrzehnte lang, auf eine Politik der „Angstmache“ gesetzt. Angst vor Flüchtlingen aus dem Krieg in Jugoslawien, vor Migranten, vor Asylanten, vor Flüchtlingen jetzt, vor Überfremdung oder „Umvolkung“, vor dem Islam. Auch in der kurzen Regierungszeit mit der ÖVP hat sie dieses Politikinstrument eingesetzt.

Es gibt auch Zeugen, die sich an eine Veranstaltung in der ungarischen Botschaft in Wien erinnern. Dort wurde Kickl eine „Politik der Angst“ vorgeworfen. Worauf er salopp erklärt haben soll: Politik funktioniere nur mit Angst. Warum also regt er sich jetzt auf? Die FPÖ muss eine besondere Beziehung zum Begriff Chuzpe (Unverschämtheit) haben. Man wundert sich ja oft, warum bestimmte politische Akteure nicht an jenen Sätzen ersticken, die sie gerade von sich geben, wenn sie doch das genaue Gegenteil behauptet haben. Eine Erklärung, warum sie ihre Meinung geändert haben, gibt es nie. Kann sein, dass Österreicher aus historischen Gründen eine besondere Beziehung zu Heuchelei haben und diese deshalb in der Politik nicht „so eng“ sehen, was wiederum Politiker zu Höchstformen auflaufen lässt.

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