Nordkorea

Kim Jong-un ist putzmunter – oder doch nicht?

Wenn's wahr ist, hat Kim Jong-un am 1. Mai eine neue Fabrik für Düngemittel besucht und wie immer seine Anweisungen erteilt, die brav notiert wurden.
Wenn's wahr ist, hat Kim Jong-un am 1. Mai eine neue Fabrik für Düngemittel besucht und wie immer seine Anweisungen erteilt, die brav notiert wurden.(c) APA/AFP/KCNA VIA KNS/STR
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Offizielle Fotos vom Samstag sollen belegen, dass Nordkoreas Diktator voll handlungsfähig ist. Aber das Rätselraten über den Verbleib des bizarren Machthabers geht trotzdem weiter.

Er ist wieder da. Angeblich weihte der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un  am Freitag in der Provinz Pyongan nordöstlich der Hauptstadt eine fertiggestellte Düngemittelanlage ein. So vermeldet es jedenfalls die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Das Parteiblatt „Rodong Sinmun“ veröffentlichte Fotos, die den strahlend gut gelaunten Führer im Mao-Anzug beim Durchschneiden eines roten Bandes zeigen.

Alle Anwesenden hätten frenetisch „Hurra“ geschrien, um seinen Einsatz für das volkswirtschaftlich wichtige Werk gebührend zu feiern, sagt die Propaganda. Unabhängige Berichte von der Feierlichkeit gibt es jedoch nicht. Selbst die gewöhnlich gut informierte Website „Daily NK“ von Überläufern aus Nordkorea in Seoul wurde bisher nicht entsprechend aktualisiert.

Dafür soll ein weiteres Bild – Kim lachend mit Funktionären auf einem Podium, hinter dem eine Losung das Datum 1. Mai 2020 vermerkt – der Öffentlichkeit zeigen: der Staatslenker ist putzmunter, absolut handlungsfähig und in voller Machtfülle. Und fast nebenbei war auch die Schwester Kim Yo-jong am Rande zu sehen. Globale Spekulationen hatten ihr zuletzt seit dem Verschwinden des Führers dessen Nachfolge zugetraut. Dabei kam es der Propaganda diesmal weniger darauf an, was der Diktator mitzuteilen hatte. KCNA notiert lediglich, „mit großer Ergriffenheit“ habe sich Kim gefreut, dass sein Großvater Kim Il-sung und sein Vater Kim Jong-il über „die Nachricht, dass die moderne Phosphatdünger-Fabrik gebaut worden ist, begeistert gewesen wären.“

Heftige Spekulationen

Beide sind schon Jahre tot, aber der dritte Machthaber in der Kim-Dynastie lebt. Das war die Botschaft. Völlig offen blieb, wo der Führer in den vergangenen knapp drei Wochen abgeblieben war. Die ungewöhnlich lange Abwesenheit wurde mit keiner Silbe erwähnt.

Was war nicht alles spekuliert und mit vagen Vermutungen garniert worden. Kim Jong-un liege im Koma oder gar schon im Sarg, vielleicht aber auch in der Sonne der exklusiven Sommerresidenz am Strand von Wŏnsan, wo Satelliten seinen privaten Sonderzug gesichtet hatten. Aber Genaues wusste man nicht.

Als Erste hatte die Internetzeitung „Daily NK“ vermeldet, der Diktator habe sich einer Herzoperation unterziehen müssen. Der US-Nachrichtenkanal CNN zog mit der auf Regierungsbeamte gestützten Nachricht nach, Kim sei nach einem misslungenen Eingriff „in ernster Gefahr“. In einem japanischen Boulevardblatt war zu lesen, der Diktator liege im Koma. Ein Fernsehsender aus Hongkong vermutete sogar, Kim sei gestorben.

Für alle diese Gerüchte sprach vor allem, dass der Diktator nicht bei den Feierlichkeiten zum Geburtstag von Staatsgründer Kim Il-sung am 15. April gesehen wurde. Immerhin ist dieser „Tag der Sonne“ der höchste Feiertag im Kalender des altstalinistischen Regimes. Da grenzt die Abwesenheit des Führers fast schon an Blasphemie. Auch am 25. April, dem Gründungstag der Volksarmee, fehlte der Machthaber ohne einen genannten Grund.

Starker Raucher und genetisch vorbelastet

So viel steht fest: Der vermutlich 36-Jährige ist fettleibig und gilt als starker Raucher. Auch seine Vorgänger – Großvater und Vater – verstarben nach einem Herzinfarkt. Kim Jong-un war 2014 schon einmal fast sechs Wochen von der Bildfläche verschwunden. Damals soll eine Zyste am Sprunggelenk entfernt worden sein. Danach zeigte er sich mit Gehstock.

Auch wenn es die Absicht der staatlichen Propaganda ist, mit Kims Wiederkehr die Mutmaßungen um seine Gesundheit zu beenden, wird das weltweite Rätselraten wohl weiter gehen. Denn Zweifel sind schon angebracht, selbst bei US-Präsident Donald Trump. Angesprochen auf das plötzliche Erscheinen seines „Freundes“ sagte Trump in Washington nur lapidar: „Ich möchte das lieber noch nicht kommentieren.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2020)

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