Kolumne zum Tag

Wasser, das Bindemittel für ein morsches Belgien?

Flandern mag sich selbstständig erklären wollen - doch es ist fast zur Hälfte auf Wasser aus der Wallonie angewiesen.

Einen Augenblick lang, zu Beginn der Ausgangssperren hier in Belgien Mitte März, konnte man sich der Hoffnung hingeben, dass diese Krise das dysfunktionale politische System des Königreichs stabilisieren könnte. Sophie Wilmès, die seit Herbst amtsführende Regierungschefin, erhielt die Unterstützung fast aller Parteien im föderalen Parlament, um eine echte Regierung mit Sonderbefugnissen zur Bekämpfung der Seuche zu bilden. Wilmès ist besonnen, sachlich, scheut die politische Show: endlich ein Staatsmann an der Adresse rue de la Loi 16, dem Sitz des Premierministeramtes, und sie ist eine Frau, hoffte so mancher Beobachter.

Ich erspare Ihnen die Details der Rückkehr des althergebrachten Systems. Von der Organisation von Masken für die Bürger, welche ab nun vom 12. Lebensjahr verpflichtend in öffentlichen Verkehrsmitteln zu tragen sind, über die fehlenden Tests für die Hausärzte, bis zur Frage, ob die Behörden der drei Regionen Infektionsketten wirklich lückenlos rückverfolgen können, ist es ein Trauerspiel (und hier schreibt ein großer Freund Belgiens und der Belgier). Schon reiben die flämischen Nationalisten wieder auf, betreiben die wallonischen Sozialisten ihre Machtspiele, von den fast durchwegs peinlich überforderten Liberalen beider Regionen ganz zu schweigen. Was soll so ein Land zusammenhalten?

Vielleicht Wasser. Die Zeitung „La Libre Belgique“ berichtet, dass Flandern bereits jetzt an Wassermangel leidet, und sich ein Dürresommer wie 2018 ankündigt, dem trockensten Jahr seit 1976. Während der dank Klimawandel steigende Meeresspiegel den Druck auf die Deiche erhöht, fehlt es den Flamen an Trinkwasser (und das ist auch für die starke lokale Industrie wichtig). Nun stammen aber 45 Prozent des flämischen Wassers aus der Wallonie, genauer: der Meuse und dem Canal Albert.

Wasserwirtschaft ist Sache der Regionen. So sehr sich also viele Flamen selbstständig machen wollen: ohne das Plazet der Wallonen wird das nicht gehen, wenn sie weiterhin trinken und bewässern wollen.

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