Neues Album

Lucinda Williams: Die Sängerin, die in Nashville ihren Zorn wieder fand

Highway 20 Records
  • Drucken

Auf ihrem neunten Album „Good Souls Better Angels“ überrascht die Königin des Alternative Country mit Punkattitüde. Die Balladen, die sie mit ihrer rauen Stimme singt, zählen zum Schönsten der aktuellen US-Musik.

Haltlos weinende Gitarren, schläfriger Rhythmus, ein wenig Keyboard-Schrumm-Schrumm und dann erstrahlt diese Stimme: rau, verlässlich wegbrechend und so für subtilen Gebrauch normalerweise nicht geeignet. Und doch, oder gerade deshalb, zählen die von Lucinda Williams gesungenen Balladen zum Schönsten der zeitgenössischen, amerikanischen Musik. Sie vermischt Country, Folk, Blues und etwas Soul zu einem glühenden Sound, dem zu widerstehen schwer ist.

Für gewöhnlich erzählt Williams in ihren sich träge entwickelnden Songs eine düster-tragische Geschichte. Letztendlich ist die Message, die sie vermittelt, egal. Was trägt, das ist ihre charismatische Stimme, die irgendwo zwischen Agonie und Lethargie verortet ist. Williams Organ schafft es, Wiederholung zu einem Hörabenteuer zu machen. Wie sie dieselben Worte auf stets nuancierte Art neu singt, das ist höchste Kunst. „Good Souls“ nennt sich die ergreifendste Ballade auf ihrem neuen Opus. „Keep me in the hand of saints, with better angels, with the good souls”, lautet jene Zeile darin, die sie wie ein Mantra singt.

Dieses staubige Juwel, das die Zeit zum Stillstand zu bringen scheint, ist das Schlusslied ihres neunten, musikalisch recht überraschenden Liedzyklus „Good Souls Better Angels“. Frappierend ist, dass auf ihm ein verpufft geglaubter Zorn zu seinem Recht kommt. Seine Rückkehr ins Bewusstsein verdankt er einer Übersiedlung. Williams zog nach fast zwanzig Jahren in Los Angeles nach Nashville zurück, wo sie zu Beginn ihrer Karriere eine recht unglückliche Zeit durchgemacht hat. „Man müsste mich schon dafür bezahlen, damit ich nach Nashville zurückgehe“, pflegte sie bis vor Kurzem zu sagen. Nun lebt die 1953 in Lake Charles in Louisiana geborene Gitarristin und Sängerin wider Erwarten ein zweites Mal dort, wo sie nun im an Vintage Equipment reichen Room & Board Studio die wildeste Platte ihrer Karriere aufgenommen hat.

Machos, die ihre Macht missbrauchen

Stellenweise klingt sie wie Patti Smith in den Siebzigerjahren. Etwa auf „Wakin' Up“. Nach einem martialischen Intro, wo es kracht und scheppert, dass es nur so eine Freude ist, singt sie tatsächlich mit Punkattitüde über einen schlechten, aber irgendwie doch faszinierenden Mann: „He pulled my hair and then he pissed on me, next thing, I swear, he wants a kiss on me.“ Eine weitere Abrechnung mit männlichem Abusus ist „Man Without A Soul“. Der Song klingt nur von der äußeren Form her versöhnlicher. Willliams' Gift konzentriert sich auf den Text. Schon die erste Zeile „You're a man without truth, a man of greed, a man of hate, a man of envy and doubt, you're a man without a soul“ lässt an Donald Trump denken. Es kann sich aber um jeden x-beliebigen Macho handeln, der seine Macht missbraucht.

Abseits solcher Protestlieder frönt die herbe Miss Williams aber auch den Wonnen der Innenschau. „Shadows & Doubts“ heißt eines dieser introspektiven Lieder. „When the way gets dark will you lose your balance?”, fragt sie rhetorisch, um dann auf einer hübschen melancholischen Melodie surfend den Ausweg aufzuzeigen. „These are the dark, blue days, that much is true, and there's so many ways to crush you.”

Sich zu verknallen, das kann eben auch in depressiven Phasen gelingen. Überhaupt, so wie Williams über die Liebe singt, das würde wohl bei jeder anderen Sängerin in haltlosen Kitsch münden. Im Falle Williams werden solche Gedanken dank ihrer ruppigen Persönlichkeit und ihrer rauen Stimme rasch im Keim erstickt. Mag sie auch wieder in der Welthauptstadt des Country residieren, sie bleibt ein Sonderling dieser Szene. Allerdings ein längst hochrespektierter.

Lucinda Williams
„Good Souls Better Angels“
Highway 20 Records

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2020)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.