Grenzen sind nicht erst seit Stefan Zweig unerfreulich. Was, wenn sie bleiben?
Als Berufsreisender hab ich mich zunächst sehr auf die Österreich-Geschichten gefreut, die ich im Sommer schreiben werde. Das eigene Land ausführlich zu bereisen mein alter Wunsch. Irgendwann überfiel mich dabei der Beklemmungs- und Panikgedanke: Macht Österreich überhaupt Spaß, mit geschlossenen Grenzen, wenn es ausschließlich Österreich gibt?
Zu diesem Zeitpunkt hatte eine Ministerin der Bevölkerung von oben herab vorgeschlagen, den Urlaub im eigenen Land zu verbringen. Ich dachte: Wer gerade den Job verliert, auf Kurzarbeit umgestellt wird, Minusstunden anschreibt, auf Zwangsurlaub geht oder um die Existenz kämpft, der könnte es unter Umständen unpassend finden, genau von denen mit Reisetipps anschwadroniert zu werden, die mit vollen Bezügen herumspazieren.
Identitätspapiere und Grenzen sind für Freiheitsliebende ja nicht erst seit Stefan Zweig eine Provokation. Das Spektakulärste, was die Europäische Union bisher zustande kriegte, war die Abschaffung Zweiterer innerhalb des Schengen- Raums. 2020 wurden die verwaisten Grenzhäuschen reaktiviert. Ich schätze, bald werden gewichtige Stimmen meinen, man solle die Kontrollen nach der Krisenzeit beibehalten. Die Sommerpläne der europäischen Länder sind ebenso nachvollziehbar wie abstoßend: Aus gänzlich unmedizinischen Erwägungen könnte der Deutschland-Österreich-Austausch gefördert werden endlich ein Anschluss in beide Richtungen! Auch andere Staaten streben "bilaterale Lösungen" an, Tschechien soll mit Kroatien über eine Touristen-Luftbrücke verhandeln. Ein Kurzstrecken-Flugverkehrsboom? Das Letzte, was wir brauchen. Wann, wenn nicht jetzt, fördert Europa das europäische Eisenbahnnetz?
Seit der Ansage der Ministerin frag ich mich: Wie kann ich Österreich am unauffälligsten verlassen? Mir wären einige nie kontrollierte Feldwege nach Deutschland bekannt, auf ähnliche Art könnte ich auch Slowenien erreichen, doch was dann? Wer zeigt mir die gefahrlosesten und auffangsichersten Wege ins Ausland? Chronische Herumstreuner wie ich durchforsten das Internet längst nach zuverlässigen Schleppern.
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