Viel Wahres und Gutes wurde auch heuer zum Gedenken an 1945 gesagt. Die Generation, die diese Zeit erleben musste, hat anders gesprochen.
Auf dem Weg zum Friedhof klangen mir die Reden zum 75. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung und der Befreiung von Mauthausen im Ohr. Viel Wahres und Gutes war da schön gesagt worden, ein bisschen formelhaft vielleicht: Schreckliche Zeiten, Schuld auf sich geladen, Wiederaufbau, Trümmerfrauen, Kampf dem Rassismus.
Seltsam, dachte ich am Grab meiner Mutter: Die Generation, die das erleben musste, hat nie so gesprochen. Meist erfuhr man nur Bruchstücke, dazwischen blieben große Leerstellen.
Einmal, am Stadtplatz von Mistelbach, zeigte meine Mutter auf einen Torbogen: „Dort hat man mich hineingerissen. Vor dem alliierten Flieger, der Jagd auf mich gemacht hat.“ 17 war meine Mutter damals. Oder das Damenfahrrad, auf dem ich Radfahren lernte. „Mit dem bin ich geflüchtet. Aus Angst vor der Befreiung. Zuerst zu einer Tante nach Laa. Die hat mich weggeschickt und gesagt, sie kann mir nicht helfen. Dann nach Eggenburg. Dort bin ich versteckt worden.“ Meine ersten kindlichen Schreibübungen, Ansichtskarten an eine Klosterschwester. „Die hat mich als Krankenschwester untergebracht. Da haben alle gehofft, dass einem weniger passiert.“