Streit mit Italien

Südtirol rebelliert in der Corona-Krise gegen Rom

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Die Provinz geht bei Öffnungen der „Phase 2“ ihren eigenen Weg und beruft sich auf ihren Sonderstatus:  Rom reagierte  verärgert, spricht von „leichtsinnigen Schritten“ und droht mit Gegenmaßnahmen.

Südtirol rebelliert gegen Rom: Die autonome Provinz geht in der Phase 2 der Corona-Krise ihren eigenen Weg  - und öffnet schneller als von Rom vorgesehen Bars, Restaurants oder Hotels. Damit zieht es den Ärger der italienischen Regierung auf sich: Es gebe keine Rechtfertigung für diese „leichtfertige Maßnahme“, sagte Regionenminister Francesco Boccia am Freitag. Er drohte mit Maßnahmen. Neue Spannungen wegen des Autonomiepakets sind nun möglich.

Denn Italien hat gerade erst die Abriegelungen zaghaft gelockert, die Gastronomie soll aber bis Juni landesweit geschlossen bleiben. Schon am Samstag sollen in Südtirol hingegen alle Geschäfte geöffnet werden, Montag dann Friseure, Bars, Restaurants und Museen, ab 18. Mai gibt es eine Betreuung für kleine Gruppen in Kindergärten und Volksschulen. Mit 25. Mai können Hotels wieder aufmachen und Seilbahnanlagen wieder in Betrieb gehen.

Ein entsprechendes Gesetz hat  der Landtag in der Nacht zum Freitag verabschiedet hat. Den Entwurf hatte die Landesregierung schon in der vergangenen Woche vorgelegt. Am Freitag sollte es in Kraft treten.

Hoffnung auf offene Grenze nach Südtirol

Damit hofft man in Südtirol, doch noch die Sommer-Touristensaison irgendwie zu retten. In einem Interview mit der Tageszeitung „La Repubblica“ sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher, er arbeite zu diesem Zwecke  an  bilateralen Grenzabkommen mit Nachbarstaaten - auch mit Österreich.

Der Brenner ist seit Mitte März für den Personenverkehr geschlossen. Südtiroler Studenten, die in Österreich inskribiert sind, dürfen aufgrund einer Abmachung mit Wien jetzt aber wieder über die Grenze, sobald die Vorlesungen beginnen. Man arbeite daran, „mehr zu erreichen“, sagt nun Kompatscher.  Vor allem aber hofft Bozen auf eine Öffnung für Deutsche, die ein Großteil der Gäste in der Provinz ausmachen. Auch mit der Schweiz soll es Abmachungen geben.  

Offen ist, wie Rom auf diese Alleingänge reagiert: Italien ist wegen der heftigen Corona-Pandemie im Land seit Monaten isoliert, die Grenzen sind alle abgeriegelt, erst seit Wochenbeginn dürfen die Italiener wieder an die frische Luft. Einige Industriebetriebe haben am Montag wieder ihre Produktion aufgenommen, doch die viele Geschäfte bleiben geschlossen, ebenso wie Restaurants, Bars und Hotels.

„Sicherheit, die Rom vermissen ließ“ 

Grundlage für den „Südtiroler Weg“ sei das Autonomiestatut, heißt es aus Bozen: „Das Land Südtirol wird die Corona-Phase-2 im Sinne der Südtiroler Autonomie selbstständig gestalten”, betonte denn auch Kompatscher.

Und  Philipp Achammer, Chef der regierenden Südtiroler Volkspartei (SVP), kommentierte das neue Gesetz mit einem klaren Seitenhieb auf Rom: „Mit der Genehmigung des Landesgesetzes zur Gestaltung der Phase 2 ist der Grundstein für jenen Weg gelegt worden, den Südtirol im Hinblick auf die Überwindung der Coronakrise in Zukunft gehen wird. Mit diesem Landesgesetz bieten wir unseren Familien und Betrieben nun endlich jene Perspektive und jene Sicherheit, die die römische Regierung bis hierhin vermissen ließ."

Dem Südtiroler Gesetz war ein langer Streit der italienischen Regionen mit der Zentralregierung in Rom vorausgegangen. Die Regionen forderten bei der Gestaltung der „Phase 2“ mehr Freiheiten und Selbstständigkeit ein.  Da die Regierung nicht darauf eingangen sei, werde man nun den „von der Autonomie vorgesehen Weg“ alleine beschreiten und die Maßnahmen umsetzen, heißt es jetzt aus Bozen.

In Bereichen, die dieses Landesgesetz nicht regelt, greifen aber weiterhin die staatlichen Vorgaben, betonte die Landesregierung: Das gilt etwa beim Reisen in andere italienische Regionen oder bei Sicherheitsvorschriften wie Schutzmaske oder Sicherheitsabstand.

Kompatscher rechtfertigte gegenüber „La Repubblica“ den Alleingang auch mit den Infektionszahlen, die sich besser entwickelten, als in anderen norditalienischen Provinzen: Insgesamt sind im 520.891-Einwohner zählenden Südtirol 2558 Personen mit dem Virus infiziert, 289 Personen starben an Covid-19. In ganz Italien liegt die Zahl der Toten bei insgesamt 29.958. 

Aufstand der Regionen

Auch andere Regionen Italiens proben in der Phase 2 den Aufstand gegen Rom: In der süditalienischen Region Kalabrien sind bereits seit vergangenem Wochenende Bars und Restaurants in Betrieb - Rom hat schon mit Strafmaßnahmen gedroht. Süditalien wurde im Vergleich zum Norden des Landes kaum vom Virus getroffen.

Das nordöstliche Friaul-Julisch-Venetien hat indes angekündigt, Hotels, Geschäfte, Restaurants und Bars vorher zu öffnen, als dies Rom vorsieht. Im Friaul befinden sich bei Österreichern beliebte Strände wie etwa Grado.

„Los von Rom“ , fordern die Schützen

Doch der Fall Südtirol ist politisch besonders heikel, da neue Diskussionen zur Autonomie drohen. In Rom ist man dem Vernehmen nach nicht der Meinung, dass das Autonomiestatut unabhängige Maßnahmen in der „Phase 2“ zulässt. Offen ist auch, ob nun Österreich als „Schutzmacht“ aufgerufen ist, sollte der Streit eskalieren.

Für zusätzliche Spannungen sorgten jedenfalls Protestkundgebungen der Schützen vom Wochenende. Der Schützenbund hatte wieder einmal zum Aufstand gegen den „Fremdstaat Italien“aufgerufen: In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurden auf mehreren Hängen Bergfeuer gezündet - mit dem Slogan: „Los von Rom“.

(basta)

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