Neuer Song

Bob Dylan singt über seinen Todestag

Der Tod als Arzt: Mit diesem Bild avisiert Bob Dylan sein kommendes Album.
Der Tod als Arzt: Mit diesem Bild avisiert Bob Dylan sein kommendes Album.Bob Dylan
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„False Prophet“ heißt der dritte Song, den Bob Dylan in der Corona-Zeit veröffentlicht hat. Am 19. Juni soll ein Album namens „Rough And Rowdy Ways“ folgen.

Wer ist Mary Lou Pearl? Nächstliegende Antwort laut Google: eine Dragqueen mit sehr langen Wimpern aus San Francisco. Auch das lernt man bei der Befassung mit Bob Dylans neuem Song „False Prophet“, einem langsamen, aber heftigen Stop-time-Blues, in dem der Meister u. a. ruft: „Hello Mary Lou! Hello Miss Pearl!“ In den nächsten Zeilen sind es offenbar zwei Girls, die er als seine „leichtfüßigen Botinnen aus der Unterwelt“ beschreibt und ihnen attestiert, dass sie genauso im Geschäft seien wie er. Er selbst jedenfalls, so heißt es weiter, sei ein Feind des Verrats, des Streits und des ungelebten bedeutungslosen Lebens, aber kein falscher Prophet: „I just know what I know, I go where only the lonely can go.“

Gut, „only the lonely“ kann man als Pop-Anspielung lesen, so hieß einst ein Schmachtfetzen von Roy Orbison, vor allem ist es ein zünftiges Selbstbild: der einsame Dichter/Sänger, der sich im Lied selbst erklärt wie einst Muddy Waters im musikalisch ganz ähnlichen „Mannish Boy“. Wie ein goldkettenbehangener Rapper prahlt Dylan: „I'm first among equals, second to none, last of the best, you can bury the rest, bury 'em naked with their silver and gold, put them six feet under and pray for their souls.“

Man meint ihn breit grinsen zu sehen, den bald 79-jährigen Bob Dylan, ähnlich wie bei „Early Roman Kings“, als er bellte: „I ain't dead yet, my bell still rings.“ Das war 2012, auf „Tempest“, dem bisher letzten Album Dylans mit eigenen Stücken. Seither hat er nur drei Alben mit Songs aus dem Repertoire Frank Sinatras veröffentlicht. Nun, im Corona-Ausnahmezustand, ist ihm wohl fad, die Japan-Tournee im April musste abgesagt werden, die US-Konzerte im Juni wackeln heftig, er nützt offenbar die Zeit, um Songs einzuspielen oder zumindest zu überarbeiten. Drei hat er bisher veröffentlicht, und sie sind alle vortrefflich: „Murder Most Foul“ (erschienen am 28. 3.) ist sein bisher längstes Stück, eine Beschwörung des Mords an John F. Kennedy, die in ein Panoptikum der US-Gegenkultur mündet, manifestiert in Songwünschen an den legendären DJ Wolfman Jack.

„Don't care what I drink"

Dann, am 17. 4., kam das ruhige „I Contain Multitudes“, in dem er sich zum erweiterten Ich erklärt, das alles Erlebbare erlebt. Nun also eine weitere Selbstumrundung, grimmiger und zugleich witziger, in der Dylan auch festhält, falls das bisher niemand bemerkt haben sollte: „I search the world over, for the Holy Grail, I sing songs of love, I sing songs of betrayal, don't care what I drink, don't care what I eat, I climbed the mountains of swords on my bare feet.“

Respekt! Es wäre nicht Dylan, wenn er nicht am Schluss zu einer wilden Pointe fände, die auf seltsame Art zum zuletzt veröffentlichten „I Contain Multitudes“ passt: „Can't remember when I was born, and forgot when I died.“

Passenderweise zeigt das Coverbild ein Skelett im Frack mit einem Geschenk in einer Hand und einer Spritze in der anderen. Die Spritze zeigt auf ein Schild: „From the Forthcoming Album By Bob Dylan“. Dieses soll ein Doppelalbum sein, „Rough And Rowdy Ways“ heißen und am 19. Juni erschienen. Wenn es hält, was die drei nun veröffentlichten Songs versprechen, wird es ein Meisterwerk.

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