"Covid Organics"

Kräutertrank aus Afrika soll gegen Corona helfen

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Auf Madagaskar wurde ein Tonikum entwickelt, das nach Angaben der Regierung gegen die Viren wirken soll. Große Mengen wurden bereits an Länder Afrikas verschenkt, fortan will man aber Geld dafür. Die WHO kritisiert unterlassene Tests, und dass Menschen sich durch präventive Einnahme grundlos „immun" fühlen könnten.

Der große Inselstaat Madagaskar vor Ostafrika tritt ungeachtet von Kritik der Weltgesundheitsorganisation WHO als Anbieter einer Flüssigkeit auf, die auf Pflanzenbasis Covid-19 heilen soll. Viele Staaten Afrikas haben bereits offiziell Bestellungen der Kräutermixtur namens „Covid Organics" getätigt und per Flugzeug abgeholt, nachdem der madegassische Präsident Andry Rajoelina im April die bernsteinfarbene „Medizin" bei einer Pressekonferenz vorgestellt und davon getrunken hatte. Ihm zufolge seien mehrere Erkrankte nachweislich durch die Mischung geheilt worden.

Das Tonikum (es gibt davon auch die trockene Kräutermischung allein, um daraus Tee zu kochen) wurde vom staatlichen Institut für angewandte Forschung entwickelt und basiert im Kern aus Extrakten einer Pflanze der Gattung Artemisia, das sind Korbblütler, die man bei uns etwa unter den Namen Gewöhnlicher Beifuß und Wermut kennt, die vor allem auf der Nordhalbkugel weit verbreitet sind und oft als Unkraut gelten. Tatsächlich sind viele Artemisia-Arten seit der Antike wegen ihrer Bitterstoffe und ätherischen Öle als Heil- und Gewürzpflanzen bekannt.

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Aus dem Einjährigen Beifuß werden Anti-Malaria-Mittel gemacht, die von der WHO empfohlen werden. Sie basieren auf der Substanz Artemisinin, die 1971 erstmals isolierte wurde; in der Traditionellen Chinesischen Medizin hat man die Pflanze gegen Malaria schon viel länger eingesetzt. Die chinesische Pharmakologin Tu Youyou (heute 89) bekam 2015 für die Gewinnung von Artemisinin den Medizinnobelpreis. Es gibt gewisse Erfolge im Rahmen der Krebstherapie, aber nur bei klinischen Studien.

Motto: Hauptsache, es schadet nicht

Nur wenige Arten Artemisia kommen in Afrika vor. Konkret benutzt wurde den Angaben zufolge die Unterart Artemisia annua, eben der besagte Einjährige Beifuß, der in Österreich eher selten ist und hier vor allem in Niederösterreich und Wien wächst.

Kristian Peters/GNU Free Documentation License Version 1.2./CC BY-SA 3.0

Von der neuen „Medizin", die abseits aller international anerkannten  Testverfahren existiert und zugelassen wurde, wurden bereits Zehntausende Flaschen bzw. Trockenmischungen hergestellt und teils exportiert, etwa nach Tansania, Äquatorialguinea, die Zentralafrikanische Republik und beide Kongo-Staaten. Allein der kleine westafrikanische Staat Guinea-Bissau soll mehr als 16.000 Einheiten bekommen haben, wird diese aber auch großteils an weitere Länder verteilen. Dort wird man die Medizin gar nicht erst lange testen, wie es etwa aus Liberia heißt. Sie ist grundsätzlich genießbar und wohl per se nicht schädlich, darum geht man nach dem Motto „Hauptsache, es schadet nicht" vor.

Der Präsident macht Werbung

Bisher hat Madagaskar nichts dafür verlangt; eine Rechtsberaterin des Präsidenten sagte allerdings vor Tagen zur Agentur Reuters, dass man die Medizin fortan verkaufen werde - im Inland seien die Fläschchen für umgerechnet rund 40 Euro-Cent erhältlich. „Wir können das legal vermarkten", meint Marie Michelle Sahondrarimalala. "Madagaskar hat Bestellungen staatlicher Behörden anderer Länder, aber auch von privaten Unternehmen erhalten."

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MADAGASCAR-HEALTH-VIRUSAPA/AFP/RIJASOLO

Präsident Rajoelina (45), der einen Hintergrund als DJ, Veranstalter, Leiter einer Werbeagentur und eines Fernsehsenders hat, seit Jänner 2019 amtiert, allerdings schon 2009 durch einen Putsch an die Macht gekommen war und bis 2014 als Übergangspräsident amtiert hatte,  preist die Wirksamkeit des Tonikums an. Die WHO rät unterdessen zur Vorsicht: Man müsse es doch zuvor auf Nebenwirkungen, ja prinzipielle Wirksamkeit hin testen. Gewiss seien isolierte Wirkstoffe ja etwa gegen Malaria nützlich, aber nicht die Pflanze per se.

Die Chefin der WHO-Afrika-Abteilung, Matshidiso Moeti, sagte, es sei zu befürchten, dass Menschen, die den Trank zur Vorbeugung nehmen, glaubten, sie seien fortan immun gegen Coronaviren, und daher jede Vorsicht im sozialen Umgang aufgäben.

Madagaskar (etwa 27 Millionen Einwohner) meldete zuletzt nur etwa 200 Coronafälle und keine Todesopfer. Die Aussagekraft des eher schlechten medizinischen Systems im Land ist allerdings zweifelhaft.

(Reuters/Greber)

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