Was wäre, wenn es Ibiza nie gegeben hätte?
Ein Jahr Ibiza-Affäre

Wenn es Ibiza nicht gegeben hätte

Beate Hartinger-Klein würde neben Sebastian Kurz die Coronakrise moderieren. Herbert Kickl wäre noch Innenminister. Und das Wort des Bundespräsidenten hätte weniger Gewicht. Über ein (politisch) verrücktes Jahr.

Was, wenn es das Ibiza-Video nie gegeben hätte? Die Grundformation der Coronakrise würde heute anders aussehen: Sebastian Kurz wäre zwar immer noch Kanzler, aber neben ihm stünden nicht Werner Kogler, Rudolf Anschober und Karl Nehammer, sondern Heinz-Christian Strache als Vizekanzler, Beate Hartinger-Klein als Gesundheitsministerin und Herbert Kickl als Innenminister. Möglicherweise wären die Ausgangsbeschränkungen dann noch strenger gewesen. Ziemlich sicher hätte die Opposition die Maßnahmen der Regierung nicht im selben Ausmaß mitgetragen. SPÖ, Liste Pilz und Grüne hätten vehement protestiert. Aber zumindest auf die Grünen hätte kaum jemand gehört: Sie wären nicht einmal im Nationalrat gewesen.

Das Ibiza-Video, veröffentlicht am 17. Mai 2019 von „Süddeutscher Zeitung“ und „Spiegel“, war der Auftakt zu einem Jahr, das man gar nicht anders als politisch verrückt nennen kann. Ver-rückt im wahrsten Sinn des Wortes: Im Mai 2020 ist nämlich (fast) nichts mehr, wie es im Mai 2019 war.

Politische Premieren

Ohne Ibiza-Video wäre es nicht oder jedenfalls nicht so schnell zum türkis-blauen Bruch gekommen. Es hätte keine Minister gegeben, die nach wenigen Tagen keine mehr waren. Und keinen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz im Nationalrat, der dann auch noch mehrheitlich angenommen wurde. Übrigens zum ersten Mal in der Zweiten Republik.

Wahrscheinlich würde auch die Sinnhaftigkeit des höchsten Amts im Staat noch immer infrage gestellt. Doch im Interregnum zwischen Sebastian Kurz und Brigitte Bierlein mussten dann auch jene, die im Bundespräsidenten nicht mehr als einen „Grüß-August“ gesehen hatten, eingestehen, dass die Kombination aus Bundesverfassung und phlegmatischem Amtsinhaber stabilisierend auf eine Republik wirken kann.

Alexander Van der Bellen sorgte dann auch für eine politische Premiere. Brigitte Bierlein, bis dahin Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs, wurde Österreichs erste Bundeskanzlerin. Sie führte ein Expertenkabinett an, das anfangs für seine strebsame Zurückhaltung gefeiert wurde und nun schon fast wieder vergessen ist (vielleicht ist Brigitte Bierlein auch froh, dass der Coronakelch an ihr vorübergegangen ist).

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