Budget

Blindflug durch den Staatshaushalt

Die Regierung rechnet mit einer Überschreitung des Budgets von 28 Milliarden Euro, das Defizit dürfte bei 7,5 Prozent des BIPs liegen, die Staatsverschuldung auf 80 Prozent oder mehr steigen.
Die Regierung rechnet mit einer Überschreitung des Budgets von 28 Milliarden Euro, das Defizit dürfte bei 7,5 Prozent des BIPs liegen, die Staatsverschuldung auf 80 Prozent oder mehr steigen.APA/GEORG HOCHMUTH
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Während das Parlament seine Beratungen über einen Budgetvoranschlag aufnimmt, der schon jetzt Makulatur ist, mahnen Experten, an die Zeit nach der Krise zu denken.

Vor wenigen Wochen sah das Budget 2020 noch so aus: Einnahmen von 81,8 Milliarden Euro stehen Ausgaben in Höhe von 82,4 Milliarden Euro gegenüber. Aktuell weiß man, dass die Ausgaben aufgrund der Corona-Hilfszahlungen dramatisch höher sein werden, die Einnahmen – etwa durch Lohn-, Umsatz- und Kapitalertragsteuer – werden massiv sinken. Die Regierung rechnet mit einer Überschreitung des Budgets von 28 Milliarden Euro, das Defizit dürfte bei 7,5 Prozent des BIPs liegen, die Staatsverschuldung auf 80 Prozent oder mehr steigen.

Das ist der Stand von heute, Freitag. In einem Monat oder in einem halben Jahr kann die Rechnung schon wieder ganz anders aussehen. Dass die Haushaltsplanung dennoch nicht angepasst wird, sorgt bei der Opposition seit Tagen für heftige Kritik. Er verstehe dies, meinte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) am Freitag zum Auftakt der Budgetberatungen im Nationalrat. „Ich kann nur keine richtigen Zahlen nennen.“

Kritik vom FPÖ-Experten

Traditionell beginnt das parlamentarische Budgetprozedere mit einer Beurteilung durch von den Fraktionen nominierten Experten. Doch im aktuellen Blindflug gibt es kaum etwas zu beurteilen, stattdessen gab es bei dem mehr als vierstündigen Hearing Tipps der Wirtschaftsforscher zur Bewältigung der Krise.

Zusammengefasst: Man dürfe konjunkturbelebende Maßnahmen nicht zu früh setzen; man solle öffentliche Investitionen jetzt nützen, um langfristige Ziele – Klimaschutz, die Sicherung des Pflege- und Gesundheitsbereichs – zu erreichen; man müsse an die Zeit nach der Krise denken, wenn es um die Konsolidierung der Staatsfinanzen gehe.
Überraschend und unkonventionell waren die Ausführungen des von der FPÖ nominierten Experten Martin Grundinger vom Austrian Economics Center. Er stimmte nicht in die allgemeinen Lobeshymnen für die Hilfsmaßnahmen der Regierung ein. Im Gegenteil: „,Koste es, was es wolle‘ ist eine Ungeheuerlichkeit“, meinte Grundinger. Es könne nicht sein, dass der Staat durch finanzielle Hilfen entscheide, wer überlebt und wer stirbt. Das müsse man einer unabhängigen Stelle überlassen, die staatlichen Eingriffe seien auf ein Minimum zu reduzieren.

Die vier anderen Ökonomen griffen diese Kritik nicht auf. Stattdessen warnte etwa AK-Chefökonom Markus Marterbauer: „Die Krise hat ihren Höhepunkt noch nicht erreicht und wird nachhaltige Folgen haben.“ Vorrangig müsse nun sein, die Zahl der Arbeitslosen schnell auf das Niveau vor der Krise zurückzuführen und Ausbildungsplätze für Jugendliche zu schaffen. Was Marterbauer nicht sagte, sagen Experten hinter vorgehaltener Hand: Ein so hoher Prozentsatz an Arbeitslosen birgt enormen sozialen Sprengstoff.



Margit Schratzenstaller (Wifo) verwies auf die Zeit nach der Krise. Ein Kassasturz im Herbst sei notwendig, nach einer Stabilisierung der Konjunktur müsse man sich auch Methoden zur Gegenfinanzierung der Hilfen überlegen.

Mehrheitlich forderten die Experten Maßnahmen zur Ankurbelung von Investitionen vor Steuererleichterungen. Man müsse mit den Hilfsmaßnahmen ein nachhaltiges Wachstum fördern, meinte Tobias Thomas, Direktor von Eco Austria. Er mahnte ebenso wie IHS-Chef Martin Kocher Weitblick von der Regierung ein: Die Demografie dürfe man nicht aus den Augen lassen, die Ausgaben in den Bereichen Pensionen, Pflege und Gesundheit würde in den kommenden Jahren um vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen. Man werde jetzt reagieren müssen, warnte Thomas.

Einen kurzweiligen Schlagabtausch mit Blümel lieferte sich SPÖ-Mandatar Jan Krainer. Er bestärkte seine Kritik am Finanzminister und am Umstand, dass es keine aktuellen Budgetzahlen gibt. Seine Kritik am überholten Voranschlag brachte er launig auf den Punkt: „Wir wollen uns im Budgetausschuss nicht über Altpapier unterhalten.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2020)

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