Politisches Buch

Die jungen, (erz)konservativen Männer um Kurz

Sebastian Kurz
Sebastian KurzAPA/ROLAND SCHLAGER
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Mit wem wurde Sebastian Kurz, was er ist? In „Inside Türkis“ nähert sich „Krone“-Journalist Klaus Knittelfelder dem politischen Machtzirkel um den Kanzler an. Und widerlegt eine weitläufige These über die Türkisen.

Wer nicht täglich mehrmals mit seinen engsten sozialen Kontakten videotelefoniert hat, könnte in den vergangenen Wochen einen Mann öfter als die eigenen Freunde und Verwandten gesehen haben: Sebastian Kurz. 73 Pressekonferenzen gab die Regierung laut eigenen Angaben seit Ende Februar. Bei vielen war der Bundeskanzler selbst auch dabei. Mal mit Mundschutz, mal ohne, mal mit guten und mal mit schlechten Nachrichten. Aber immer mit einer klaren Botschaft und mit seinen Vertrauten in der Nähe. So wirklich fassen können viele die Persönlichkeit, den politischen Menschen Kurz nicht. Trotz Dauerpräsenz und einiger Erklärungsversuche.

Man ist also etwas erleichtert, wenn man die ersten Seiten des Buches „Inside Türkis“ liest. (Autorisierte) Biografien über Sebastian Kurz gibt es immerhin schon, seine Lebensgeschichte hat Kurz selbst oft genug erzählt. Autor und „Krone“-Journalist Klaus Knittelfelder versucht sich Kurz also auf einem anderen Weg anzunähern: über seine engsten, aber nicht öffentlich bekannten Mitarbeiter, die ihn und seine Politik prägen.

So ergibt sich ein – mehr oder weniger – homogenes Bild der türkisen Truppe. Die Menschen, denen Kurz vertraut und mit denen er die wichtigsten Entscheidungen bespricht, sind hauptsächlich Männer. Sie sind jung, ausnahmslos loyal und professionell, oft in der niederösterreichischen ÖVP sozialisiert, vielfach (erz-)katholisch. Sie sind meist mehrfache Väter und leben ein „außerordentlich traditionelles Familienleben“. Und sie bilden eine klare Konstellation im türkisen Sonnensystem, das sich um Kurz dreht: Stefan Steiner als Chefstratege, Gerald Fleischmann als oberster Spindoktor, Philipp Maderthaner als Kampagnenguru, zum Beispiel. „Ich will immer Leute um mich haben, die irgendetwas können, wofür ich sie bewundere“, sagt Kurz.

Keine Ideologen? Nicht ganz

Eine These, die oft über Kurz und sein Netzwerk aufgestellt wird, wird in dem Buch widerlegt: dass der Kanzler und sein Team sehr pragmatisch und wenig ideologisch seien. Am deutlichsten wird das im Kapitel über Bernhard Bonelli. Der Kabinettschef ist einer der wichtigsten Impulsgeber. Aber: „Seine Zugänge haben in den meisten Fällen ein Problem: Sie sind in der Gesellschaft nicht mehrheitsfähig.“ Im Nachhinein müsse man manche Vorschläge von ihm entschärfen. Auch während der Coronakrise spielte er eine wichtige Rolle: Als die Grünen strikt gegen Ausgangssperren waren, setzten die Türkisen um Bonelli auf ihre Kommunikationsstrategie: und kommunizierten die Regeln strikter, als sie es waren.

Die meisten, die sich heute im Machtzirkel von Kurz befinden, begleiten ihn von Anfang an. Nicht immer freiwillig, Pressesprecher Gerald Fleischmann musste zunächst von Ex-Obmann Michael Spindelegger dazu gezwungen werden. Gemeinsam bereiteten sie dann die Machtübernahme vor und protokollierten ihre Pläne in einem Dokument – Projekt Ballhausplatz. Dort sitzen sie nun auch – mit Sebastian Kurz. (ib)

Klaus Knittelfelder, Inside Türkis
Klaus Knittelfelder, Inside Türkisedition a


Klaus Knittelfelder
Inside Türkis
edition a
224 Seiten
22 €

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2020)

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