Glosse

Historisches Urteil

Freitagabend ist ein Urteil in einem Skandal gefällt worden, das für die Akzeptanz der Rechtsprechung nicht förderlich ist.

Freitagabend ist ein Urteil in einem Skandal gefällt worden, der Österreich monatelang in Atem gehalten hat. Es geht dabei nicht um das Ibiza-Video, dessen Veröffentlichung sich dieser Tage jährt, und bei dem die Ermittlungen quasi noch in den Kinderschuhen stecken. Auch nicht um die Fälle Buwog, Immofinanz oder Hypo Alpe Adria, die im Rahmen der Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren bekannt wurden. Nein, es geht um den Bawag-Refco-Skandal aus 2005. Zur Erinnerung: Bundeskanzler war Wolfgang Schüssel, SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer. Und Sebastian Kurz war gerade beim Bundesheer. Die Ex-Bawag-Manager wurden nun von den Vorwürfen freigesprochen. Dabei ging es vor allem um einen 350-Millionen-Euro-Kredit, der ohne Aufsichtsratsbeschluss vergeben worden war und im Refco-Debakel verloren ging. Der Hauptangeklagte war aber gar nicht beim Prozess dabei, er ist seit Jahren verhandlungsunfähig. Und die Zeugen klagten über Erinnerungslücken nach der langen Zeit.

Die Justiz ist überlastet, keine Frage. Für die Akzeptanz der Rechtsprechung sind Jahrzehnte zwischen Tat und Urteil aber nicht förderlich. 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2020)

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