Präsidenten mehrerer deutscher Bundesländer wollen Grenzöffnungen etwa zu Frankreich. Demos in vielen deutschen Städten gegen Restriktionen. Neues Coronawarnsystem für Großbritannien geplant.
Berlin/Paris/London/Podgorica. In Europa werden vor dem Hintergrund der Coronakrise die Rufe nach Grenzöffnungen und Normalisierung immer lauter. Mehrere Ministerpräsidenten deutscher Bundesländer, darunter Armin Laschet (CDU) in Nordrhein-Westfalen, drängen auf Öffnung der Grenze etwa zu Frankreich. Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ein Luxemburger, warnt davor, mit „übertriebenen Kontrollen“ den Binnenmarkt zu gefährden.
Deutsche und französische Abgeordnete forderten eine sofortige Grenzöffnung. Wegen der sinkenden Zahl von Coronainfektionen könne man nicht mehr mit Gesundheitsschutz argumentieren. Umgekehrt forderte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, der Deutsche Manfred Weber (CSU), die EU-Außengrenze noch länger geschlossen zu halten, damit die Coronakrise innerhalb der Union schneller überwunden werde.
Aus Deutschland werden unterdessen nach einer kurzen Zeit von Lockerungen der Ausgangssperren wieder merklich höhere Erkrankungszahlen gemeldet. Ungeachtet dessen demonstrierten am Wochenende Tausende Menschen in vielen Orten Deutschlands, darunter in Berlin, Bremen, Stuttgart und München, gegen die Restriktionen. Allein in München waren es laut Polizei etwa 3000 Menschen. Es gab teils tätliche Auseinandersetzungen mit der Polizei.
In Großbritannien gab Premierminister Boris Johnson, der selbst eine Coronainfektion überstanden hat, am Sonntag schrittweise Lockerungen der Restriktionen, aber auch die Einführung eines neuen Alarmsystem bekannt, das ähnlich dem Terrorwarnsystem funktionieren soll. Regionen sollen demnach über verschiedene Informationskanäle über den Stand von Neuinfektionen informiert werden. Großbritannien war zuletzt europaweit das Land mit den meisten Coronatodesfällen (mehr als 31.500).
Schweden bezahlt ab sofort keine staatlichen Unterstützungen mehr an Firmen, die während der Coronakrise Dividenden ausschütten. Der Entscheidung war ein politisches Tauziehen vorausgegangen. Die staatliche Wirtschaftsförderung hatte sich lange mit dem Argument gewehrt, es gebe keine gesetzliche Grundlage, die Krisenhilfen dividendenzahlenden Unternehmen vorzuenthalten. Zur Kursänderung führte nun ein breiter Acht-Parteien-Konsens.
Montenegro wirbt mit Coronafreiheit
Eine gute Nachricht: Das kleine balkanische Adrialand Montenegro wirbt für sich als Urlaubsland, wo Corona bald keine Gefahr mehr darstelle. „Montenegro ist auf dem Weg, ein coronafreies Urlaubsziel zu werden!“, teilte Ministerpräsident Dusko Markovic am Sonntag über Twitter mit. In den kommenden Wochen werde man das Land für die Saison vorbereiten, fügte er hinzu.
Seit fünf Tagen wurden in Montenegro keine Neuansteckungen bekannt. Bis Sonntag waren offiziell mindestens 320 Menschen an Corona erkrankt, neun Personen starben. Zuletzt hatte die Regierung in Podgorica zu erkennen gegeben, dass sie am 1. Juli mit dem Beginn der Urlaubssaison rechne. Die Erwartung ist, dass vor allem Urlauber aus Nachbarländern wie Serbien und Bosnien wieder ins kleine, aber hübsche Montenegro kommen. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2020)