Kolumne zum Tag

Essverhalten

In Coronazeiten kommt mir das Essverhalten unkoordiniert und unlogisch vor.

Vor Corona war das Essverhalten im Arbeitsalltag ja noch wenigstens geregelt. Manchmal Frühstück, jedenfalls Zudröhnung mit doppelten Espressi gemeinsam mit der Kollegenschaft, mittags kollektive Bestellung der selben Speise wie jeden Tag vom Asiaten gegenüber, abends, je nach Vorhaben, entweder vegane Vitamineinschüsse, Pommes mit Ketchup, extravagante Kreationen in einem israelischen Lokal, labbrige Sandwiches, vietnamesische Suppen mit leider zu viel Koriander oder einfach nur Aperitif mit Aperitif. Jetzt, in Coronazeiten, kommt mir das Essverhalten unkoordiniert und unlogisch vor. Was kocht man sich denn heute, gibt man sich Mühe oder knallt man Sugo auf Nudelberge, kocht man überhaupt oder jausnet man wahlweise ein Glas Kapern, Senfgurken oder löffelt Nutella?

Ich schaue mir zwecks Inspiration Kochtipps auf sozialen Medien an, die einen machen Gusto, die anderen Angst. In einem Video werden mehrere Schnitzel altbewährt paniert, anschließend auf ein Blech gelegt, auf die Schnitzel kommt jeweils eine gekochte und kunstvoll zusammengerollte Portion Spaghetti, auf die Spaghetti ein Schöpfer weißer Sauce mit Speck, darauf eine ordentliche Ladung geriebener Käse, und das Ganze wird dann im Backofen gebacken. Diese Art von Fantasie muss man auch erst einmal zusammenbekommen.

Zu Beginn des Corona-Lockdowns habe ich im türkischen Imbiss meines Vertrauens ein Gericht zum Liefern bestellt, aber auf die Kontaktlosigkeit bei der Übergabe konnte ich mir noch keinen Reim machen. Ich gab Geld in ein Kuvert, legte es auf die Fußmatte und schloss die Tür. Der Lieferant kam, nahm das Kuvert, stellte das Essen auf die Matte und ging wieder. Das ging doch ganz leicht. Doch kaum eine Minute später klingelte es wieder. Ich über die Gegensprechanlage: „Hallo?“ Lieferant: „Hallo... Haben Sie das Essen bekommen?“ „Ja, es war vor der Tür, wo Sie es abgestellt haben.“ „Ja, gut, gut, essen Sie bitte gleich, sonst wird es kalt.“ „Okay... Danke!?“ (Pause) Lieferant: „Was für Zeiten wir erleben!“ „Verrückte Zeiten.“ „Na dann, bleiben Sie gesund!“ Ein Satz zum Weitergeben.

E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

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