"Twilight": Vampirleidenschaft für alle Altersklassen

Twilight Vampirleidenschaft fuer alle
Twilight Vampirleidenschaft fuer alle(c) Concorde
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Mit "Eclipse - Biss zum Abendrot" startet am Donnerstag der dritte Film nach Stephenie Meyers Erfolgsbüchern. Regie führte der britische Regisseur David Slade. Über das Geheimnis eines Gefühlskino-Phänomens.

Oktober 2009: Die katalonische Kleinstadt Sitges, idyllisch umfasst von Hügeln auf der einen und dem Mittelmeer auf der anderen Seite, erbebt unter hysterischem Gekreische. Tausende Jugendliche – auf neunzig Mädchen kommen zehn Burschen – warten auf die Ankunft von Jamie Campbell Bower, einem Neben-Nebendarsteller im zweiten „Twilight“-Film New Moon. Wie groß seine Rolle tatsächlich ist, wie viel er zu sagen hat, das ist den anwesenden Fans – Codename: Twihards – gleichgültig: Bower ist ein Teilstück vom Mythos und plötzlich zum Greifen nahe. Im großen Saal des Vier-Sterne-Betonbunkerhotels Mélia Sitges sitzt er, ein hagerer Zwanzigjähriger in zerrissenen Jeans, schüchtern lächelnd auf dem überlebensgroßen Podium, seine zarte Stimme geht unter im Verlangen der Massen.

Ist man erst einmal mittendrin im Fantreiben, fällt es schwer, das Pop-Phänomen „Twilight“ als konservative Sehnsuchtstapete für Pubertierende abzutun. Stephenie Meyers vierteiliger Romanzyklus rund um die unsterbliche Liebe zwischen der selbstbestimmten Anti-Tussi Bella und dem geheimnisumwitterten Romantikvampir Edward spielt die Tonlagen der Teenager-Gefühlsklaviatur überzeugend nach und gewährt den minderjährigen Hauptfiguren dieselbe Unbedingtheit der Leidenschaften, die für gewöhnlich Erwachsenen vorbehalten ist.

Nicht lebendig und nicht tot

Ein dramaturgischer Anker des jetzt anlaufenden dritten Films der Reihe, Eclipse – Biss zum Abendrot, ist Bellas Wunsch, von Edward zur Vampirin gemacht zu werden. „Make me!“, haucht Julia ihrem Romeo ins Ohr, der sich weigert, ihrem Begehr nachzukommen. Schließlich weiß er um die Kälte und Härte seiner eigenen zwischenweltlichen Existenz: nicht lebendig und nicht tot zu sein, sondern irgendetwas mittendrin.

Die „Twilight“-Romane eignen sich nur bedingt zum Bombaststoff. Knapp 70 Millionen Dollar Budget wurde Eclipse zugestanden: Ein läppischer Betrag, verschlingen doch andere lukrative Hollywood-Franchises mindestens die doppelte Summe. Gerade die Dialoglastigkeit und Actionlosigkeit der literarischen Vorlagen erweisen sich im Wettbewerb mit anderen Großproduktionen aus Hollywood als Schwierigkeit: „Twilight“ ist ein globales Phänomen, aber die dünne Generalerzählung, die sich durch alle Teile zieht, sowie das Fehlen eines breiteren mythologischen Überbaus, wie etwa in den Harry-Potter-Filmen, machen es der Reihe schwer, neue Freunde abseits der etablierten Fanbasis zu gewinnen.

Diese Schere zwischen den Eingeweihten und den Außenstehenden öffnet sich jetzt bei Eclipse noch weiter: Das Leidenschaftskarussell zwischen Bella (immer wieder gut: Kristen Stewart), dem Vampir Edward (Robert Pattinson) und dem Werwolfjungen Jacob (Taylor Lautner) dreht sich erneut, zwischendurch darf eine in den vorigen Filmen eingeführte Blutsaugerin eine Armee aus neu geborenen Vampiren erschaffen und zum Sturm auf das verregnete Dorf Forks blasen.

Wie viele Leinwandminuten hat R-Patz?

Dem britischen Regisseur David Slade, der mit seinem Horrorthriller 30 Days of Nightgroßes visuelles Talent bewiesen hat, gelingt es dabei nur bedingt, die andauernden Herzschmerzdialoge und Schlafzimmerblicke in einen breiteren Erzählfluss einzuspeisen. Aber wieso auch? Die Zielgruppe wartet begierig auf zusätzliche Leinwandminuten ihrer Helden, mit der Stechuhr kann man nachmessen, wie lang Mädchentraum Robert Pattinson (oder R-Patz in Twihard-Sprache) im Bild zu sehen, wie oft Taylor Lautner seine Muskeln zeigen darf.

Das Problem von Twilight liegt aber nicht im Stoff begründet, sondern in dessen Aufblähung zum allumfassenden Erlebnisfilm: Die zartgliedrige Schmonzette bricht zusammen unter dem Millionen-Dollar-Gewicht. Und unter dem Studioauftrag, vom zehnjährigen Mädchen über den Familienvater bis hin zur rüstigen Großmutter alle unterhalten zu müssen. Eigentlich gehören die „Twilight“-Romane und deren Filmadaptionen ihrer Zielgruppe, denjenigen, die sie bedingungslos umarmen: Die Mädchen und Burschen (jedweden Alters) haben es verdient, mit ihrer Leidenschaft in Ruhe gelassen zu werden. Sie sollen kreischen, lieben und verzweifeln, ganz und gar, und völlig aufgehen in der romantischen Triangel von Bella, Edward und Jacob.

Mehr als die Summe seiner Teile

Kino ist auch in diesem Fall mehr als die Summe seiner Teile: Es geht gar nicht darum, etwas „gut“ oder „schlecht“ zu nennen, sondern einen Film zu fühlen. Und dass das bei den „Twilight“-Romanzen der Fall ist, das können nicht einmal die gewichtigsten Kritiker anzweifeln. Ebenso wenig, wie sie gegen tausende schreiende Jugendliche ankommen.

Biss zur Kinoauswertung

Mit der „Twilight“-Tetralogie hat Autorin Stephenie Meyer einen Welterfolg gelandet: Mehr als 100 Millionen Exemplare sind von ihren vier Büchern mit der keuschen Vampirromanze verkauft worden, die auf Deutsch als „Bis(s)“-Saga veröffentlicht worden ist. Nach erfolgreichen Filmversionen der ersten beiden Romane startet die dritte, „Eclipse“, heute österreichweit. Teil vier folgt 2011.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.07.2010)

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