Die Therapie sei schädlicher als die Seuche, die Aufregung um das Virus eine „Neurose“: Präsident Bolsonaro inszeniert sich, während eine Amtsenthebung näher rückt.
„Wie bitte?“ So entgegnete Brasiliens Gesundheitsminister, Nelson Teich, Journalisten, die ihn um Erklärung baten. Warum erkläre die Regierung gerade Friseure, Schönheitssalons und Fitnessstudios zu essentiellen Tätigkeiten, während sich das Coronavirus im Land schneller ausbreite als irgendwo sonst in der Welt. Der Minister, erst ein paar Wochen im Amt, war offenbar nicht konsultiert worden, bevor Präsident Jair Bolsonaro zu Wochenbeginn die landesweiten Arbeitsverbote für diese körpernahen Beschäftigungen aufhob. Er erfuhr davon erst vor laufenden Kameras.
Diese Episode vom Wochenanfang illustriert das institutionelle Chaos, mit dem das größte Land Lateinamerikas der Pandemie begegnet. Mit mehr als 11.500 registrierten Todesfällen und mehr als 168.000 Infizierten hat sich das fünftgrößte Land der Welt zum Hotspot von Covid-19 in Südamerika entwickelt. In sechs der 26 Bundesstaaten, darunter Rio de Janeiro, ist das öffentliche Gesundheitssystem zusammengebrochen.