Mittagsglosse

Deutscher Luftangriff auf den Binnenmarkt

Die arrogante Art, wie die Lufthansa sich in der Frage der staatlichen Rettung ihrer Töchter gebärdet, lässt schwarz sehen für den Binnenmarkt in der Zeit nach der Pandemie.

Wer das Gold hat, macht die Regeln: mit diesem Axiom erinnerte der Industrielle Frank Stronach vor Jahren daran, dass man es in der harten, kalten Wirtschaftswelt dort draußen wesentlich leichter hat, seinen Willen durchzusetzen, wenn man das nötige Kleingeld springen lassen kann. Betrachtet man das gegenwärtige Gebaren der Lufthansa in der Frage, unter welchen Umständen die Staaten Belgien, Österreich und Schweiz den Lufthansa-Töchtern AUA, Brussels Airlines und Swiss mit insgesamt einer Milliarde Euro aufwärts unter die Flügel greifen sollen, drängt sich der Eindruck auf, die deutschen Flottenkapitäne hätten ein anderes Verständnis von Normsetzungslegitimierung: Wir haben kein Gold, wollen aber trotzdem die Regeln machen.

Wie anders sind ansonsten die Forderungen des deutschen Konzerns an die drei Staaten zu verstehen? Jeweils dreistellige Millionenbeträge, um den Flugbetrieb zu erhalten: nur her damit, dalli, dallli! Aber nur ja keine Bedingungen daran knüpfen, liebe Politiker. Minderheitsbeteiligungen? Standortversprechen? Beschäftigungsgarantien? Lachhaft! Besonders keck gebärden sich die Lufthansis gegenüber der belgischen Regierung. Jahrelang schob man Brussels Airlines bewusst nur alte Flugzeuge zu, minderte damit deren Servicequalität, nun will man mit den erhofften staatlichen Hilfskrediten die ausständigen konzerninternen Mietgebühren für die alten Geier tilgen. Bilanzpolitur in Köln auf Kosten des belgischen Steuerzahlers: das muss man sich einmal trauen. Zumal man in Brüssel noch immer ziemlich verschnupft ist über Lufthansas Pläne, Brussels Airlines zu einer Billiglinie zu degradieren.

Wenn dieses Vorgehen ein Vorzeichen dafür ist, nach welchen Usancen der Wettbewerb in der EU in der Zeit nach der Pandemie stattfindet, dann sind das keine guten Aussichten für den Binnenmarkt. Denn die deutschen Konzerne profitieren jetzt enorm davon, dass ihre Regierung ohne Probleme Staatsbeihilfen Ende nie vergeben kann; das EU-Beihilfenrecht ist ja, auch wenn Österreichs Finanzminister Gernot Blümel das nicht glauben mag, de facto ausgesetzt. Daran ist nichts falsch oder gar illegitim. Doch wenn dieser Wettbewerbsvorteil dazu führt, dass die Deutschen auf Einkaufstour gehen und sich die kapitalgeschwächten Filetstücke der norditalienischen oder spanischen Industrie zu Okkasionspreisen einverleiben, wird es einen Sturm der nationalistischen Entrüstung in diesen Ländern geben. Das ist genau das, wovor nicht nur Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen warnt, wenn sie von „großen Auswirkungen auf das Level-Playing-Field“ durch die ungleichen Staatsbeihilfen in den einzelnen Mitgliedstaaten spricht.

Diese Entwicklung droht Politiker an die Macht zu spülen, die nichts für den Binnenmarkt, das Unionsrecht und die gemeinsamen Spielregeln übrig haben - und schon gar nichts für deutsche Konzernkapitäne, die nach Kolonialherrenart vorschreiben wollen, wie die Eingeborenen sich ihrem Willen zu unterwerfen haben.

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