Corona-Mindestabstand

Kurz im Kleinwalsertal: Neos prüfen Anzeige, SPÖ stellt parlamentarische Anfrage

Der Besuch des Bundeskanzlers im Vorarlberger Kleinwalsertal sorgte für regen Besucherandrang.
Der Besuch des Bundeskanzlers im Vorarlberger Kleinwalsertal sorgte für regen Besucherandrang.Bundeskanzleramt (Dragan Tatic)
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Begeisterte Bewohner, die den Bundeskanzler in Vorarlberg empfingen, hielten sich vielfach nicht an den Corona-Mindestabstand.

Empörung in Sozialen Medien und bei der Opposition hat der erste Termin von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) außerhalb Wiens seit zehn Wochen ausgelöst. Denn im Kleinwalsertal fanden sich viele sichtlich begeisterte Menschen ein, um Kurz zu empfangen - und hielten sich dabei, wie auf einem Video der "Vorarlberger Nachrichten" zu sehen ist, vielfach nicht an den in der Öffentlichkeit vorgeschriebenen Mindestabstand von einem Meter. Das sprach der Kanzler in einer improvisierten kurzen Ansprache auch an: "Ich bitte euch alle, a bissl an Abstand zu halten", sagte er, nachdem er sich seinen Weg durch die Menge zum Eingang gebahnt hatte - was mit einigen lauten Lachern quittiert wurde.

Im Vorfeld waren die Bewohner von der Gemeinde auf Facebook aufgefordert worden, anlässlich des hohen Besuches die Häuserwände zu beflaggen und den Bundeskanzler mit Bekundungen zu begrüßen. "Die Verantwortlichen freuen sich über eine Beflaggung der Häuserwände und Bekundungen an der Walserstraße" lautete die wörtliche Aufforderung. Später wurde der Satz gelöscht.

Neos fordern Entschuldigung und prüfen Anzeige

Die Neos fordern von Kurz eine Entschuldigung. "Was man gestern gesehen hat, entbehrt jeglicher Ernsthaftigkeit und jeglichem Verantwortungsbewusstsein", kritisierte Parteichefin Meinl-Reisinger am Donnerstag. Tausende Künstler dürften nicht einmal im Freien auftreten und bangten um ihre Existenz, und der Kanzler inszeniere sich. "Die Leute sind angefressen", sagte Meinl-Reisinger. "Ich erwarte mir eine Entschuldigung von Kurz und Landeshauptmann Markus von Wallner."

Der Neos-Abgeordnete Sepp Schellhorn kündigte Mittwochabend eine Anzeige an. Meinl-Reisinger sagte auf Nachfrage, dass eine Anzeige geprüft werde. Es könne nicht sein, dass viele Menschen in den letzten Wochen 500 Euro zahlen mussten, weil sie auf einer Parkbank oder zu viert im Auto gesessen sind und der Kanzler die Regeln nicht einhalte.

Kickl: Kurz "Lebensgefährder"

Auch SPÖ und FPÖ zeigten sich empört. Kurz sei jetzt eindeutig ein "Lebensgefährder" - noch dazu, wo in der Menge viele ältere Menschen gewesen seien, befand FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl. Diesen Terminus hatte Kurz' Parteikollege und Innenminister Karl Nehammer gebraucht, erinnerte Kickl, der die gesamte Regierung der "Heuchelei und Doppelmoral" bezichtigte. Kurz ignoriere "munter seine eigenen Vorgaben, obwohl ja angeblich die Apokalypse über Österreich hereinbricht, wenn man dem Wort des Kanzlers nicht buchstabengetreu Folge leistet".

Die SPÖ kritisierte in einer Aussendung die "Skandalbilder" aus Vorarlberg und die "Verhöhnung der Bevölkerung". "Seit Wochen werden Leute mit hohen Geldsummen bestraft, die sich nicht an die Abstandsregeln halten, in Wien wurden vom Bund riesige Parkanlagen gesperrt, tausende Menschen arbeiten den ganzen Tag mit Atemschutz", sagte Vizeklubchef Jörg Leichtfried. Doch "wenn der Kanzler meint, er muss einen Show-Auftritt machen, ist alles egal?", fragte er.

Leichtfried kündigte eine parlamentarische Anfrage gemeinsam mit SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwaller an. Es stelle sich die Frage nach der Organisation im Vorfeld. "Wir wollen vom Gesundheitsminister auch wissen, ob die zuständige Bezirkshauptmannschaft Bregenz davon gewusst hat und Ermittlungsverfahren eingeleitet wurden", erklärte Leichtfried. Nehammer soll zum Vorgehen der Polizei befragt werden. "Dieser Skandal gehört aufgeklärt", forderten die beiden SPÖ-Abgeordneten.

Bundeskanzleramt: „Teilweise Mindestabstand leider nicht eingehalten"

Obwohl man sich in der Organisation im Vorfeld und beim Besuch direkt darum bemüht habe, sei von Bewohnern und Medienvertretern "teilweise der Mindestabstand leider nicht eingehalten" worden, erklärte das Bundeskanzleramt. Der vereinbarte Termin mit den Gemeindevertretern von Mittelberg habe in zwei kleinen Runden und mit einem Sicherheitsabstand von zwei Metern stattgefunden. Und die Gemeinde habe der Bevölkerung vor dem Besuch mitgeteilt, dass aufgrund der Coronaregeln keine öffentliche Zusammenkunft mit Kurz möglich sei. Auf dem Weg ins Walserhaus habe der Kanzler selbst daher die Bevölkerung und die Medienvertreter auf der Straße mehrmals gebeten und aufgerufen, die Abstandsregeln einzuhalten.

"Man weiß, wie schwer es ist, den Abstand einzuhalten, vor allem wenn die Infektionszahlen zurückgehen", heißt es in der Stellungnahme weiter. Trotzdem sei es wichtig, weiterhin die Regelungen zu befolgen: "Egal ob man den Bundeskanzler oder Freunde auf der Straße trifft: Der Abstand ist einzuhalten." Mit der Maske halte es Kurz in den Bundesländern nicht anders als in Wien: Bei Bewegungen in geschlossenen Räume trage er Mund-Nasen-Schutz, im Freien nicht.

Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid
Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner, Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der Kleinwalsertaler Bürgermeister Andi Haid (c) BUNDESKANZLERAMT/DRAGAN TATIC (DRAGAN TATIC)

(APA/Red.)

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