Nachruf

Der Autor als Ankläger: Rolf Hochhuth ist tot

Rolf Hochhuth starb mit 89 Jahren in Berlin.
Rolf Hochhuth starb mit 89 Jahren in Berlin.(c) imago images
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In „Der Stellvertreter“ zieh er Papst Pius XII. verbrecherischen Schweigens, in weiteren Theaterstücken attackierte er Konzernbosse, Pharmaindustrie und ehemalige Nazirichter. Er verteidigte auch Holocaust-Leugner David Irving: Zum Tod des Dramatikers Rolf Hochhuth.

Manchmal haben Künstler tatsächlich Macht – jedenfalls wenn es um die Vorstellung geht, die sich eine Gesellschaft von seiner Vergangenheit macht. Der deutsche Dramatiker Rolf Hochhuth erfuhr diese Macht mit seinem ersten veröffentlichten Theaterstück, „Der Stellvertreter“. Bis zu dessen Uraufführung 1963 hatte Papst Pius XII. als Helfer der Juden im Zweiten Weltkrieg gegolten, wurde in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sogar als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt. Der 1931 in Hessen geborene gelernte Buchhändler Rolf Hochhuth stellte das Bild auf den Kopf. Er zeigte den Papst als eiskalten Verbrecher (dessen Darsteller zugleich einen Rüstungsindustriellen spielen sollte). Der legendäre Theatermann und Kommunist Erwin Piscator brachte das Stück in einer Kurzversion auf die Bühne, es machte Weltkarriere. Gemeinsam mit dem im Jahr darauf veröffentlichten Buch „Pius XII. und das Dritte Reich“ des israelischen Historikers Saul Friedländer prägte es das Bild des „Papstes, der schwieg“.

Im März dieses Jahres hat der Vatikan die Archive zu diesem Pontifikat geöffnet, was neue Diskussionen entzünden wird – doch Rolf Hochhuths Stimme ist verstummt. Kampflustig, zornig, politisch war sie bis zuletzt; Streit schien Hochhuths Lebenselement, damit stand er sich auch in der Öffentlichkeit immer wieder selbst im Weg. Mit den großen deutschen Bühnen war er spätestens seit dem neuen Jahrtausend verkracht, weil sie sich für seine Stücke nicht mehr interessierten. Und dennoch: Sein Tod mit 89 Jahren in Berlin bedeutet das Verschwinden eines wesentlichen Dramatikers der deutschen Nachkriegszeit.

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