Lokalkritik

Testessen im Senns Restaurant

Lukas Jahn
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Die Glocken läuten wieder. Andreas Senn startet nun richtig an seinem neuen Standort im Salzburger Gusswerk: vor historischer Kulisse, mit perfekten Garpunkten und Schäumchen-Chips-Kugerl-Spielereien.

Eine lange Eingewöhnungsphase am neuen Standort war Andreas Senns Team nicht beschieden: So rasch die großzügigen Räumlichkeiten im Salzburger Gusswerk, die davor einen Modeshowroom beherbergten, umgebaut waren, so bald musste Senns Restaurant coronabedingt wieder schließen. Jetzt aber darf die tonnenschwere alte Glocke, die im Restaurant genau über ihrer mit Glas gesicherten Abkühlgrube hängt, symbolisch den Neustart einläuten; diese Glocke soll übrigens die letzte sein, die einst in dieser mittlerweile zum Kreativcluster umgewidmeten Gießerei gefertigt wurde. Die Umzugswege vom alten Standort waren denkbar kurz: Schon davor war Senns Restaurant im Gusswerk zu finden. Das neue Lokal mit seinen massiven Balken, Ziegelwänden und unverrückbaren historischen Maschinen ist freilich ungleich spektakulärer. ­Die neuen Abstandsregeln machten kaum Umstellmaßnahmen nötig – die Tische standen ohnehin weit voneinander entfernt. Und die offene Finalisierungs­küche ermöglicht kontrollbesessenen ­Gästen Hygiene-Einblicke.

Lukas Jahn


Seine Küchenlinie hat Andreas Senn, vom „Guide Michelin“ in den vergangenen Jahren stets mit zwei Sternen ausgezeichnet, nicht geändert. Für das nichtvegetarische Menü (vier bis acht Gänge, 125 bis 195 Euro) werden wie gehabt diverse Protein-Hauptdarsteller der Luxusklasse engagiert: Wagyu-Rind, Langostinos, Gänseleber . . . Und auch die Art vieler Elemente auf dem Teller entspricht dem, was die Michelin-Tester noch immer gern sehen: gefrorene Kügelchen, Geltupfen, Geleescheiben . . . Viel bemerkenswerter ist da Senns außergewöhnliche Begabung im Abschmecken und Kombinieren von Aromen sowie der Perfektionismus bei den Garpunkten. Der gedämpfte Schweinsbauch-Bun ist ein beglückender Aperohappen, das Säurespiel bei der Gänseleber mit Rhabarberwürfelchen und Shisosud schlicht genial. Zum Langostino mit Kohlrabi gibt es einen dosiert herben Lorbeeraufguss, zum Kalbsbries drapiert man Kräuterseitlinge in Nudelform und komplettiert mit Umami-Zwiebelvariationen. Der Schwarze Seehecht (aus Patagonien) wird gekonnt gedämpft, auf Mandel-Knoblauch-Creme gesetzt und mit Hobeln (und Tupfen) von Brokkolistielen und Zitronatzitrone ergänzt. Beim Dessert aus Gurke, Kokos, weißer Schokolade und Yuzu aber rächt sich die ausgeprägte Vorliebe für Küchentechnoides: Zu viele Schäumchen-Chips-Kugerl-Spielereien verstellen den Blick aufs Wesentliche.

Info

Senns Restaurant, im Gusswerk, Söllheimerstraße 16, Objekt 6, 5020 Salzburg, Tel.: 0664 454 02 32, Restaurant: Di–Sa: 18.30–21.30 Uhr.

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("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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