Theater in der Josefstadt

Herbert Föttinger: „Diese Regierung – eine Zumutung“

Die Botschaft von Herbert Föttinger an den Kanzler: „Wenn Ihnen Theater irgendetwas wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewerte und handeln Sie jetzt!“ Seit 2006 leitet der Schauspieler und Regisseur erfolgreich das Theater in der Josefstadt.
Die Botschaft von Herbert Föttinger an den Kanzler: „Wenn Ihnen Theater irgendetwas wert ist, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewerte und handeln Sie jetzt!“ Seit 2006 leitet der Schauspieler und Regisseur erfolgreich das Theater in der Josefstadt.(c) APA/HANS PUNZ
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Direktor Herbert Föttinger stellte das neue Saisonprogramm vor und rügte die Koalition von Türkis-Grün. Er fordert von ihr mehr Verantwortung für Kultur.

Wie ein subversives Dramolett wurde am Donnerstag im Theater in der Josefstadt die Präsentation des Spielplans für 2020/21 angelegt. Platzkarten für Journalisten, eine Sitzordnung, wie sie die Corona-Verordnungen derzeit erlauben. 60 Personen dürfen in den Zuschauerraum, der zehnmal so viele fassen könnte. Jedem ist klar: So kann man nicht spielen. Zur Einleitung läuft ein Trailer mit Szenen bisheriger Aufführungen – Umarmungen, Küsse, Action, Slogans: „Ein Theater, keine Aufführungen, kein Publikum . . . kein Jubel . . .“

Nun ist man bereit für den Auftritt von Direktor Herbert Föttinger, Chefdramaturg Matthias Asboth, Stiftungsvorstand Günter Rhomberg. Sie setzen sich in gebotener Distanz auf die Bühne. Für diese „analoge Pressekonferenz“ habe es die Erlaubnis des Innenministeriums gegeben. Alles ordnungsgemäß. Man wolle ja nicht eine Situation wie jüngst im Kleinwalsertal, sagt der Direktor und spielt auf den Besuch des Bundeskanzlers in Vorarlberg an, bei dem die Fans von Sebastian Kurz unvorschriftsmäßig zu ihm drängten. Föttinger spielt eine ideale Rolle, den Spötter, der raffiniert Schwächen der Regierung aufdeckt, den grantigen Patriarchen, der schützend vor seinem Theater steht. Ein Höhepunkt: Er zitiert die deutsche Kanzlerin Merkel – dass die Pandemie eine Zumutung für die Demokratie sei. Dann variiert er diesen Satz für hierzulande: „Diese Bundesregierung ist eine Zumutung für die österreichische Kulturnation.“ Planlos sei sie und ohne Empathie, was die Kunst betreffe.

Hohle Phrasen der Politik

Zuvor hat er hochtrabende Phrasen aus dem Regierungsprogramm vorgelesen, die das Lob der Kultur singen. Sie klingen hohl. Die Zeit des Lavierens sei vorbei. Halbgares, das zulasten der Freiheit der Kunst gehe, werde man nicht akzeptieren. Föttinger warnt vor ihrer Zensur: Als Nächstes sei dann die Presse- und Meinungsfreiheit dran. Am Ende spricht er den Kanzler direkt an: „Wenn Ihnen Theater, wenn Ihnen Kunst und Kultur irgendetwas wert sind, dann müssen wir das jetzt von Ihnen hören. Vergessen Sie Ihre Umfragewerte und handeln Sie jetzt!“

Die Dimensionen der Krise macht der Stiftungsvorstand klar: Das Aufführungsverbot habe das Privattheater an den Rand des Ruins gebracht, sagt Rhomberg. Mit seinen 400 Beschäftigten sei es auch ein ganz normaler Wirtschaftsbetrieb: „Bei fahrlässigen Entscheidungen könnte man sogar privat in Haftung genommen werden.“ Deshalb erwarte man sich von der Regierung eine Perspektive. Ihr Slogan „Koste es, was es wolle“ werde wörtlich genommen. Rhomberg wirft der Politik mangelnde Kompetenz ihrer derzeitigen Kulturpolitiker vor.

Föttinger will von der Regierung wissen, mit welchen Vorgaben zu rechnen sei. Jetzt. Die Künstler möchten von ihr endlich wieder Perspektiven haben. Es herrsche aber Funkstille fürs Theater. Dabei habe ihn ein Gespräch mit Vizekanzler Kogler im April noch hoffen lassen: „Vielleicht war es auch nur ein Lippenbekenntnis.“ Nun seien der Kanzler und Finanzminister Blümel gefordert. „Wir werden sie streng in die Pflicht nehmen.“ Nötig sei „ein Rettungsschirm, der uns sicher und nachhaltig durch diese Krise bringt“. Wegen der Schließung seit März (bis dahin war die Auslastung 89 Prozent) werden dem Haus in dieser Saison vier Millionen Euro an Einnahmen entgehen. Lasse man im Herbst nur 170 Besucher pro Vorstellung zu, bedeute das acht Millionen Euro Verlust pro Jahr. Zudem sei das Abonnenten-System bedroht. Föttinger fordert für ganz Österreich ein bis zwei Kulturmilliarden. Immerhin würden von 200.000 Beschäftigten rund sechs Milliarden Euro erwirtschaftet: „Das muss es der Kulturnation Österreich wohl wert sein.“

Briefe werden vom Schauspieler Michael Dangl verlesen – von Autoren, die für die Josefstadt Dramen verfassen: Peter Turrini, Daniel Kehlmann, David Schalko. Und von Regisseur Claus Peymann, der die Saison am 17. September mit „Der deutsche Mittagstisch“ von Thomas Bernhard eröffnen soll. Sie gehen liebevoll mit dem Theater und streng bis zynisch mit der Politik um.

Auf die Frage, ob er in der Krise auch ans Aufhören gedacht habe, sagt Föttinger: „Aufhören? Jetzt geht es doch erst los. Ich kämpfe wahnsinnig gern. Das macht doch Spaß!“

Erstmals Jelinek in der Josefstadt

Er hat übrigens ein beachtliches Programm vorgestellt – sechs von 14 Produktionen sind Uraufführungen: Im Haupthaus „Geheimnis einer Unbekannten“ nach Stefan Zweig, „Der Weg ins Freie“ nach einem Roman von Arthur Schnitzler, „Leben und Sterben in Wien“ von Thomas Arzt sowie ein noch nicht fixiertes Stück. Erstmals soll ein Stück von Elfriede Jelinek in der Josefstadt gespielt werden: „Rechnitz“. Zudem gibt es „Das Konzert“ und „Der Bockerer“. Brandneu in den Kammerspielen: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“ von Turrini sowie „Die Liebe Geld“ von Daniel Glattauer. Erstaufgeführt wird „The Parisian Woman“ von Beau Willimon. Weitere Stücke: „Monsieur Pierre geht online“, „Die Dreigroschenoper“, „Kein Blatt'l vorm Mund“ (nach Gerhard Bronner).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2020)

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