Fahrbericht

Škoda Kamiq: Starkes Signal von der Basis

Langer Radstand, viel Platz an Bord, ansehnlicher Auftritt: Der Skoda Kamiq ist der Erwachsene unter den vielen neuen City-SUVs. Und ist durchaus eine Konkurrenz für größere Baureihen aus dem eigenen Haus.
Langer Radstand, viel Platz an Bord, ansehnlicher Auftritt: Der Skoda Kamiq ist der Erwachsene unter den vielen neuen City-SUVs. Und ist durchaus eine Konkurrenz für größere Baureihen aus dem eigenen Haus.(c) Heidrun Henke
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Wenn das zu keinen Familienstreitigkeiten im Hause Škoda führt: Der neue Kamiq kann vieles besser als ein größerer Verwandter. Und er weiß sogar im Basis-Trimm zu überzeugen. Das hat Seltenheitswert.

Wien. In diesem Segment spielt die Musik, hier findet das größte Wachstum auf dem Markt statt – das war schon vor der Krise so, und das wird sich nach dem Lockdown noch verstärken. Die kleinen Hüpfer – ob man sie jetzt City-SUV oder Crossover nennen mag – profitieren mehrfach: Einerseits steigen viele um, denen der klassische Kleinwagen oder Kompakte schon ein bissl fad geworden ist.

Andererseits ist mit stärkerem Zustrom von höheren Klassen zu rechnen – im Zuge der Erkenntnis, dass es in angestrengten Zeiten wie diesen vielleicht auch eine Nummer kleiner tut.

Es wimmelt

Und schließlich wimmelt es im Segment nur so vor Neuerscheinungen, mit erwiesenermaßen verkaufsfördernder Wirkung. Bereits im nächsten Jahr, wenn alle angekündigten Modelle lanciert sind, werden es nicht weniger als 20 verschiedene Baureihen sein, die um der Käufer Gunst buhlen. Mehr als irgendwo sonst. Die meisten werden als sparsame Benziner genommen, Allrad und Elektrifizierung spielen keinerlei Rolle.

Neben dem originalen Trendsetter Nissan Juke tummeln sich da unter anderen Citroën C3 Aircross, Kia Stonic, Seat Arona, VW T-Cross – gar nicht so leicht, da den Überblick zu behalten. Und das gilt auch für das Sortiment von Škoda , wo es unterhalb des großen Kodiaq mit Karoq und Kamiq – für ihre Namen können sie nichts! – gleich zwei SUV-Formate gibt. Mit einer Überraschung.

Zäumen wir das Pferd so auf: Als der Karoq herauskam, postulierten wir: Manch Käufer des Kodiaq hätte den vielleicht abwarten sollen, denn möglicherweise findet er seine Platzbedürfnisse im kleineren Format ausreichend beantwortet. Der Kodiaq ist ja doch ein Riesentrumm.

(c) Heidrun Henke

Und Gleiches gilt für Karoq und Kamiq. Mit dem Unterschied, dass der kleinere Kamiq tatsächlich mehr Radstand (plus 1,3 Zentimeter) zu bieten hat als der insgesamt (um 14 cm) längere Karoq! Der Abstand zwischen den Achsen gilt nun einmal als verlässliches Indiz für den Platz an Bord. Das überraschende Raumangebot für vier Passagiere ist eines der Mehrwert-Features des Škoda – durchaus typisch für die Marke und Teil ihres Erfolgs: Zwar baut der Kamiq auf der gleichen Architektur auf wie Seat Arona und VW T-Cross, holt aus dieser aber den maximalen Radstand raus – der eng verwandte,  bloß bodennähere Scala hat es mit seinem geräumigen Innenraum bereits vorgehüpft. Mehr Appeal weiß freilich das kleine SUV zu entfachen, es steht auch kecker da als der Karoq.

Wer sich mit dem naturgemäß kleineren Kofferraum des Kamiq arrangieren kann, und das könnten auch Familien, die aus der Phase des gröbsten Materialtransports draußen sind, findet im Kamiq die kostengünstigere, vielleicht insgesamt smartere Lösung.

Zumal sich neue Optionen ergeben. Basismotorisierung, zum Beispiel. Gehen wir davon aus, dass der Kamiq nicht als Kilometerfresser auf der Autobahn eingesetzt wird – für alle städtischen Belange plus Umland erwies sich der kleinste der angebotenen Motoren als Volltreffer (anders, als wir das beim Karoq in Erinnerung haben).

Spaßmitnahme

Der Turbo-Dreizylinder mit einem Liter Hubraum erweist sich angesichts des geringen Fahrzeuggewichts nicht nur ausreichend wehrhaft, sondern holt mit seinem Punch, wenn man ihn im „sweet spot“ der Drehzahl fordert, auch noch Bonuspunkte in der Sympathie-Wertung. Und das in der schwächsten Ausführung, mit 95 PS! Ein Dreizylinder ist zwar primär eine Sparmaßnahme, weiß aber auch mit schnellem Ansprechen und jubilierendem Hochdrehen zu punkten. Hier auch oder vor allem, weil das Fünfganggetriebe hervorragend auf die Motor-Charakteristik abgestimmt ist. Die Schaltung ist so knackig, kurzwegig und präzise, dass es sich auf den Aufpreisposten DSG gut verzichten lässt. Fehlender sechster Gang? Der Motor werkelt auf der Landstraße so diskret und leise, dass man manchmal vergisst, den fünften Gang einzulegen.

Auch das Spiel mit der netten Ausstattung, die teuer zu erkaufen ist, spielt der Škoda nicht mit. Unser Testexemplar trat in der zweiten von vier Stufen an; zwar nicht ganz Basis, aber fast. Und bereits erstaunlich opulent: LED rundum, Tempomat mit Frontradar, Fernlichtautomatik, Einparkhilfe hinten plus die obligaten Škoda -Goodies wie der Regenschirm in der Fahrertür – hier ist der Wohlstand ausgebrochen. Über die Aufpreispolitik noblerer Formate kann man im Kamiq nur gütig lächeln.

Compliance-Hinweis: Die Reisen zu Produktpräsentationen wurden von den Herstellern unterstützt. Testfahrzeuge wurden kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Škoda Kamiq 1.0 TSI

Maße L/B/H 4241/1793/1531 mm. Radstand 2651 mm. Leergewicht (EU) ab 1214 kg. Laderaumvol. 400–1395 Liter.

Motor R3-Zylinder-Otto-Turbo, 999 ccm. Leistung max. 70 kW (95 PS) bei 5000–5500/min. Drehmoment max. 175 Nm bei 2000–3500/min.

0–100 km/h in 11,1 sec. Vmax 181 km/h.

Testverbrauch 6,5 l/100 km.

Vorderradantrieb. Fünfganggetriebe manuell.

Preis ab 22.700 Euro („Ambition“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2020)

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