Bildung

Schulöffnung mit Schwierigkeiten

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Am Montag kehren 700.000 Kinder in die Schulen zurück. Viele Unterrichtstage bleiben nicht mehr – dafür aber zahlreiche komplizierte Regeln.

Wien. In den Schulen laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren: Es werden Bodenmarkierungen in den Gängen aufgeklebt, Desinfektionsmittelspender an den Wänden angebracht und Gummibänder in Masken eingefädelt. Die Lehrer treffen sich zur Konferenz, sie teilen Klassen in Gruppen und schichten noch einmal den Stundenplan um. Denn im restlichen Schuljahr wird vieles anders sein.

Am Montag wird der Großteil der heimischen Kinder und Jugendlichen in die Schulgebäude zurückkehren. Nach neun Wochen Pause wird es für die 700.000 Sechs- bis 14-Jährigen wieder Unterricht vor Ort geben. Die 15- bis 18-Jährigen müssen sich noch etwas gedulden. Sie starten am 3. Juni wieder.

Das Schließen der Schulen sei einfacher gewesen als das Öffnen. Das gestand zuletzt Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) ein. Tatsächlich zeigen sich wenige Tage vor dem Neustart so einige Schwierigkeiten.

Die Abstandsregeln

Die Schüler müssen sich an die Abstandsregeln halten. Ein Meter soll stets zwischen ihnen sein. Dafür haben sich die Schulleiter so einiges einfallen lassen – von geblockten Beginnzeiten in der Früh über aufgemalte Kreise auf dem Schulvorplatz, die von den Schülern bis zum Eintritt nicht verlassen werden dürfen, bis hin zu fix zugewiesenen Aufenthaltsorten in den Pausen und der Bitte, die Toilette ausnahmsweise während des Unterrichts zu benützen.

Beim Betreten der Schule müssen die Hände gewaschen oder desinfiziert werden. Wobei die Klagen über fehlende Waschbecken und Desinfektionsmittel noch nicht verstummt sind. Auf den Gängen herrscht Maskenpflicht. In der Klasse darf die Maske abgenommen werden. Hier gibt es genügend Abstand zwischen den Tischen. So weit die Theorie. In der Praxis dürfte das schwierig werden. Selbst wenn einzelne Schulen bereits mit Konsequenzen, etwa einer schlechten Verhaltensnote, bei Nichteinhaltung des Abstandes drohen. „Wir sehen schon jetzt, dass das zum Teil nicht einmal bei den Maturanten funktioniert. Bei den Jüngeren wird sich das nicht machen lassen“, sagt AHS-Gewerkschafter Herbert Weiß zur „Presse“. Besonders schwierig dürfte es allerdings für die Volksschulen werden.

Der Schichtbetrieb

Es sollen sich nicht zu viele Kinder gleichzeitig in den Schulen befinden. Deshalb wird es einen Schichtbetrieb geben. Jede Klasse wird in zwei Gruppen mit maximal 18 Kindern geteilt. Eine genaue Umsetzung hat das Ministerium nicht vorgeschrieben. Sondern lediglich ein „Blockmodell“ empfohlen – Montag bis Mittwoch soll eine Gruppe unterrichtet werden, Donnerstag und Freitag die andere (in der Folgewoche soll sich das umkehren). Doch in Wien haben sich nur 45 Prozent der Schulen für dieses Modell entschieden. 48 Prozent setzen auf tageweise abwechselnde Varianten. Der Rest holt die Kinder wochenweise in die Schule (oder überhaupt in ganz anderen Abfolgen). Die Konsequenzen dieses Wildwuchses bekommen Eltern von Kindern, die unterschiedliche Schulen besuchen, zu spüren. Bildungsdirektion und Ministerium versprachen, Lösungen zu suchen. „Ein dreckiges Dutzend an Uneinsichtigen“ sei aber vorerst noch geblieben, sagt Karl Dwulit, der Vorsitzende des Wiener Landeselternverbands, zur „Presse“.

Die Betreuung

Die Doppelbelastung von Home-Office und Kinderbetreuung bleibt für viele Eltern – zumindest an den zwei bzw. drei sogenannten Hausübungstagen pro Woche. Grundsätzlich steht an diesen zwar eine Betreuung in der Schule zur Verfügung. „Unterschwellig – und zwar unter Anführungszeichen gesetzt – wird den Eltern in vielen Schulen schon ziemlich deutlich signalisiert: ,Schickt eure Kinder lieber nicht‘“, erzählt Dwulit. Tatsächlich planen nur neun Prozent der Eltern auf das Angebot zurückzugreifen. Weitere 18 Prozent ziehen es in Erwägung. Das zeigt eine Umfrage, die von Peter Hajek im Auftrag des Bildungsministeriums durchgeführt wurde. Fast ein Drittel der Eltern hält die Schulöffnung übrigens für wenig sinnvoll. Sieben Prozent werden ihre Kinder gar nicht in den Unterricht schicken. Das ist rechtlich möglich. Die Schüler gelten als entschuldigt.

Der Stoff

Allzu viel wird in diesem Schuljahr nicht mehr gelernt werden können. Denn bis zu den Sommerferien bleiben nur noch rund 15 Tage Unterricht pro Kind. Für Oberstufenschüler noch deutlich weniger. Einzelne Fächer werden durch Schichtbetrieb, Entfall des Nachmittagsunterrichts sowie Feier- und Fenstertage (wobei 90 Prozent an diesen nun doch öffnen) gar nicht oder kaum noch unterrichtet. Schularbeiten sind überhaupt gestrichen. Manche hätten angesichts des Unterrichts auf Sparflamme eine Fortführung des Distance Learnings für sinnvoller gehalten. Andere widersprechen dem vehement.

Die Lehrer

Zahlreiche Lehrer werden in den nächsten Wochen ausfallen. Über 60-Jährige dürfen an Bundesschulen (AHS und BMHS) zu Hause bleiben. An Landesschulen ist das anders (zumindest in der Mehrzahl der Länder). Zudem können Pädagogen mit Vorerkrankungen nicht eingesetzt werden. Sie alle müssen aber für die Fernlehre (wenn es sie weiterhin gibt) zur Verfügung stehen. Für viele Lehrer fallen dadurch zahlreiche Überstunden an.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2020)

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