Randerscheinung

Die Ausgangsbeschränkungen und ihre Folgen

(c) Carolina Frank
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Man muss sich eben wieder umgewöhnen.

Die Lockerung der Ausgangsbeschränkungen hat zur Folge, dass der Mittlere bei der ersten Möglichkeit kurz nach Mittag das Haus verlässt und zwei Tage später kurz vor Mittag wieder zurückkommt. Die SMS dazwischen bleiben unbeantwortet. Wenn man zusammen wohnt, sind 48 Stunden ohne Nachricht wenig. Man muss sich eben wieder umgewöhnen. "Und wie wars so?", frage ich, der ja nicht nur zu Corona zu Hause schläft. "Lustig", lautet die Antwort. Habe ich mir schon gedacht. Dann lässt er einen kurzen Monolog zum Thema Masken in den Öffis (er liebt die Öffis) folgen mit dem Sukkus: Kopfhörer plus Maske sorgen verlässlich dafür, in Ruhe gelassen zu werden. Dieses Stück Privatheit im öffentlichen Raum habe ich inzwischen auch lieb gewonnen, man kann sich so ja quasi unsichtbar machen, eine Eigenschaft, die sonst nur Superhelden und Tarnkappenträgern vorbehalten ist. Auch an ein Einkaufswagerl (das ist mir die plausiblere Abstandseinheit als der Babyelefant) zwischen mir und anderen kann ich mich gewöhnen. Nicht nur im Supermarkt. Der Mittlere weiß nun endlich, wann sein Medizintest stattfindet: Mitte August, am Geburtstag seines älteren Bruders und seiner Tante. Wenn das kein gutes Omen ist. Den heurigen Familienurlaub, der sich sicher nicht mehr oft so ausgehen wird, gefährden nun Virus und Test. Der Älteste wurde übrigens coronabedingt in seinem Studentenjob zunächst gekündigt und nun wieder eingestellt. Auch so eine Erfahrung. Der Jüngste nützt jede Gelegenheit, um sich zu Fuß, Scooter oder Rad mit den Freunden zu treffen, die er erst kommende Woche endlich wieder in der Schule sehen wird. Zur Hälfte, weil die Gruppeneinteilung sprengt nämlich seine Fahrgemeinschaft für den Schulbus und die gewohnte Dynamik in der Klasse.

(Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 15.05.2020)

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