Die Ich-Pleite

Die Freude über die Kaffeehaus-Öffnung

(c) Carolina Frank
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Ach, wie habe ich das Kaffeehausbüro vermisst! Aber auch das richtige Büro wird von vielen vermisst.

Endlich kann man wieder seine Freundinnen und Freunde besuchen! Es war eh nur ein Missverständnis. Aber ab heute darf man mit ihnen sogar im Kaffeehaus sitzen. Sicher, auf dem Hinweg im öffentlichen Verkehrsmittel muss man Mund-Nasen-Schutz tragen. Aber dafür weiß man endlich, warum das Tragen einer Burka in Österreich wirklich verboten ist: Es verringert die Sauerstoffzufuhr. Außerdem ist man dankbar, dass man auf dieser Seite des Kaffeehaustisches sitzt. Und nicht auf der, die die Bestellungen entgegennimmt und stundenlang mit Mund-Nasen-Schutz und vollen Tabletts durch den Gastraum eilt. Da möchte man nicht Lungenbläschen sein. Wenigstens kann das Servierpersonal ungestraft die Mundwinkel nach unten ziehen oder die Nase rümpfen, wenn ein Gast aus purer Rechthaberei den "korkelnden" Wein zurückgehen lässt. Sicher, wenn ein Großteil der Mimik verdeckt ist, ist es schwieriger, dem Gast den berühmten Wiener Oberkellnergrant zu bieten. Aber man kann auch die Augen verdrehen oder die Augenbrauen heben, um zu signalisieren, dass das vom Gast verlangte zweite Wasserglas einen Haufen unnötige Arbeit macht. Ach, wie habe ich das Kaffeehausbüro vermisst! Aber auch das richtige Büro wird von vielen vermisst. Ein Drittel sehnt sich nach seinen Kollegen, besagt eine Studie. Nach dem Tratsch in der Kaffeeküche, den ausgedehnten Mittagspausen, dem Feierabendbier. Manche vermissen vielleicht auch die Morgenmeetings, die Mitarbeitergespräche und den Humor des Chefs. Es gibt ja Masochisten. Dafür wünscht sich ein anderes Drittel Home-Office forever. 60% geben an, dass sie zuhause produktiver sind, und 80% können im Home-Office Beruf und Familie besser vereinen. Wenn ich Wirtschaftsboss wäre, würde mir das zu denken geben.

(Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 15.05.2020)

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