Informationsfluss

Statistik Austria schickt Aussendungen vorab ins Kanzleramt

Blick auf das Bundeskanzleramt, Wien
Blick auf das Bundeskanzleramt, Wien(c) Clemens Fabry, Presse
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Kanzleramt und Statistikbehörde betonen, das Vorgehen stünde im Einklang mit dem Verhaltenskodex für nationale statistische Ämter. Kritiker orten "Framing" und "Message Control".

Die Coronavirus-Pandemie scheint so manchen Informationsfluss verändert zu haben: Das Bundeskanzleramt erhält seit Ende März wichtige Mitteilungen aus der Statistik Austria schon am Vortag ihrer Veröffentlichung, berichtet "Der Standard“ am Samstag. Im Kanzleramt und bei der Statistikbehörde sieht man das im Einklang mit dem auf EU-Ebene geregelten Verhaltenskodex für nationale statistische Ämter. Dennoch gibt es Sorge um "Framing" und "Message Control".

Seit dem 24. März werde diese Praxis geübt, heißt es im Bericht des "Standard". Die Pressemitteilungen werden dem Generalsekretär im Bundeskanzleramt, Bernd Brünner, sowie den Chefs des Wirtschafts-und des Statistikrats, Helmut Kern und Martin Kocher, vorgelegt. Dies sei nicht nur in Einzelfällen passiert, sondern bei allen Presseaussendungen seit März.

In dem Kodex für die Statistikämter heißt es aber: Statistische Stellen haben "alle Nutzerinnen und Nutzer gleich zu behandeln" und ihnen "gleichzeitigen und gleichberechtigten Zugang zu statistischen Daten" zu geben. "Jeglicher bevorzugte Vorabzugang an Externe ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öffentlich bekannt gegeben."

Kanzleramt ist "Aufsichtsorgan und Eigentümervertreter"

Die Statistik Austria rechtfertigt sich der Zeitung zufolge in einer Stellungnahme damit, dass das Bundeskanzleramt "Aufsichtsorgan und Eigentümervertreter" sei. Die Vorabmitteilungen würden intern dokumentiert, mit Hinweis auf Einhaltung der Sperrfrist, und auf der Website gebe es einen entsprechenden Hinweis.

Kritik kommt dazu von Harald Oberhofer, Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität und Mitglied der "Plattform Registerforschung", die sich für einen besseren Zugang der Wissenschaft zu Statistikdaten einsetzt. "Die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit sind das höchste Gut der amtlichen Statistik. Schon der Anschein einer Einflussnahme oder Bevorzugung einzelner Akteure würde das große Vertrauen, das die Statistik Austria genießt, massiv schädigen", kritisierte er.

SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer ortet einen "neuen Auswuchs der Message-Control der schwarz-grünen Regierung", die genauso vorgehe wie zuvor die ÖVP/FPÖ-Koalition. "Man sieht, dass man den früheren Chef der Statistik Austria, Konrad Pesendorfer, loswerden musste, denn der hätte da sicher nicht mitgespielt", meinte er. Hochpolitische Daten und Informationen könnten damit vorab in der Öffentlichkeit parteipolitisch ausgelegt werden. "Diese Vorab-Weitergabe gefährdet nicht nur die Unparteilichkeit der Statsitik Austria, sie widerspricht auch dem EU-Verhaltenskodex", so Krainer, der eine parlamentarische Anfrage ankündigte. 

Umstrittene Reformpläne

Es ist nicht das erste Mal, dass rund um die ausgegliederte und formal eigenständige Bundesanstalt eine Diskussion entbrennt. Im Februar 2019 wurde bekannt, dass das Kanzleramt eine Reform der Statistik plant. So sollte die Außenkommunikation der Institution näher ans Kanzleramt angebunden werden, eine Reihe von Reformprojekten wurde gestoppt, die Presseabteilung verkleinert. Es folgte ein Aufschrei der Opposition, die vor Message-Control bei den obersten Datenhütern warnte.

Ende November 2019 gab der unter der ÖVP/FPÖ-Bundesregierung ins Abseits geratene Generaldirektor Konrad Pesendorfer seinen Abschied bekannt und forderte mehr Unabhängigkeit und eine bessere Finanzierung. Es folgte eine interimistische Geschäftsleitung. Kürzlich wurde bekannt, dass der Ökonom Tobias Thomas die fachliche Generaldirektion übernimmt. Er war davor Leiter des wirtschaftsliberalen Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria.

(APA)

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