Glaubensfrage

Leere der Gotteshäuser

Sars-CoV-2, Covid-19 oder schlicht Corona: Auch für die Religionsgemeinschaften bedeutet das Virus eine Zäsur. Ob sie sich dessen bewusst sind? Ob sie daraus Lehren ziehen? Es wäre fatal, wenn nicht.

Freitag. Samstag. Sonntag. Die heiligen Tage der großen monotheistischen Religionen konnten und können in Österreich diesmal wieder unter – limitierter – Beteiligung zwar, aber doch, gefeiert werden. Die erste Messe am Freitag im Stephansdom war mit 16 Personen nicht wirklich überrannt. Okay, 6.30 Uhr ist jetzt nicht wirklich jedermanns Sache.

Mittlerweile sind auch die ersten Gebete in den muslimischen Gebetshäusern (die große Wiener Moschee an der Neuen Donau bleibt noch geschlossen) und in den Synagogen gesprochen. Und dieser Sonntag ist der erste seit gefühlten Äonen, an dem die Kirchen nun nicht mehr für Mitfeiernde verschlossen bleiben. Fast wie früher also?

Wie gesagt, limitiert, mit Maske, Abstand und einer Höchstkapazität, die sich nach der Fläche des Gotteshauses berechnet. Da gab es zuletzt wieder kurz unnötige Aufregung, weil – schon wieder! - aus Minister Rudi Anschobers Haus Widersprüchliches signalisiert wurde. Die einen machen es nun mit Voranmeldung, online, per Telefon, persönlich beim Gemeindeleiter, Pfarrer oder Vikar (ausgefeilte Hierarchieabstufungen sind eine der Spezialitäten der katholischen Kirche), mit Zählkarte, andere machen gar nichts, weil ohnedies genug Platz für die wenigen Messbesucher zur Verfügung steht, wieder andere lassen dem Zufall freien Lauf, wenden das First-Come-First-Serve-Prinzip an.

Handgreiflichkeiten rund um den Einlass sind vor den Gotteshäusern so oder so nicht zu befürchten. Regelmäßige Gottesdienstbesucher mögen entwöhnt sein, manche haben sich die Praxis womöglich abgewöhnt. Wie auch immer, eine Erfahrung der vergangenen neun Wochen lautet: Das völlige Konzentrieren und Zentrieren in der katholischen Kirche auf Priester und die Feier der Messe hat sich während des von außen aufgezwungenen eucharistischen „Dauerfastens“ so richtig gezeigt.

Schon klar, die Feier der Eucharistie ist Quelle und Zentrum des christlichen Lebens, wie das Zweite Vatikanische Konzil festgestellt hat. Aber diese Fixierung auf den Kleriker und dessen kultische Handlung – wie sie durch vom TV übertragene oder online gestreamte exklusive Messen vor leeren Bänken noch einmal zugespitzt worden ist – hat sich als fatal erwiesen. „Kirche ist mehr als die Sonntagsmesse“, sagt der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl diesen Sonntag in einem Hirtenwort. Hat das Konzil nicht auch vom Priestertum aller Gläubigen gesprochen? Was ist daraus geworden? Tatsächlich ist die Vermittlung des Glaubens fast zur Gänze an die weniger werdenden Priester delegiert.

Man kann und muss aus der Leere der Gotteshäuser eine Lehre ziehen. Alles andere wäre zumindest ignorant – am Ende existenzbedrohend.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2020)

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