Richtungsstreit

AfD steht nach Rauswurf von Kalbitz vor Zerreißprobe

In der AfD bahnt sich nach dem Rauswurf des Brandenburger Landeschefs Andreas Kablitz ein offener Machtkampf an. Höcke spricht von "Verrat" und kündigt Widerstand an.

Die rechtspopulistische AfD (Alternative für Deutschland) steht nach dem von Parteichef Jörg Meuthen herbeigeführten Rauswurf des brandenburgischen Landeschefs Andreas Kalbitz vor der Zerreißprobe. Der Thüringer Björn Höcke, Wortführer der extremen Rechten in der Partei, kündigte am Wochenende Widerstand an. Er warf Meuthen "Verrat" vor.

Meuthen sagte zu dem Machtkampf: "Das halten wir aus." Die Partei sei nicht gespalten. Derweil wurde bekannt, dass Kalbitz' AfD-Aufnahmeantrag von 2013 offenbar verschollen ist.

Höcke sagte am Samstag in einer auf Facebook veröffentlichten Stellungnahme zu dem Vorstandsbeschluss: "Wer Argumente von Parteigegnern aufgreift und sie gegen Parteifreunde wendet, der begeht Verrat an der Partei." Meuthen und die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch "wollen eine andere Partei", so Höcke. Der Thüringer Landes- und Fraktionschef fügte hinzu: "Die Spaltung und Zerstörung unserer Partei werde ich nicht zulassen."

Kalbitz und Höcke sind die Wortführer der ultrarechten Kräfte in der Partei. Sie sorgten maßgeblich für den Machtzuwachs des "Flügels", der auf Druck Meuthens Ende April formal seine Auflösung verkündet hatte. Das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz hatte den "Flügel" Mitte März als rechtsextrem eingestuft und unter Beobachtung gestellt.

Der AfD-Bundesvorstand hatte die Parteimitgliedschaft von Kalbitz am Freitagabend per Beschluss für nichtig erklärt. Mit sieben Ja-Stimmen, fünf Nein-Stimmen und einer Enthaltung entschied der Vorstand, die Mitgliedschaft "mit sofortiger Wirkung" aufzuheben.

Meuthen sagte dem RBB-Inforadio, nach Aktenlage sei Kalbitz Mitglied der rechtsextremen "Heimattreuen deutschen Jugend" (HDJ) gewesen. Es habe aus der Partei heraus Druck gegeben, in dieser Frage zu entscheiden. Die HDJ zählt zu den Organisationen, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehen. Aktive oder ehemalige Mitglieder der dort aufgeführten Gruppierungen dürfen nicht in die AfD aufgenommen werden.

„Alle Rechtsmittel ausschöpfen"

Kalbitz kündigte an, er werde dagegen "alle Rechtsmittel ausschöpfen". Es gehe nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern um einen "Machtkampf", fügte er unter Anspielung auf Meuthen hinzu.

Meuthen sagte am Samstag im Deutschlandfunk, bei einer solchen Entscheidung sei es "nicht unüblich, dass sie auch rechtlich angefochten wird". Er gehe aber davon aus, "dass das rechtlich Bestand haben wird".

Das Vorstandsmitglied Jürgen Pohl veröffentlichte auf seiner Facebook-Seite ein Foto der acht Mitglieder, die für den Rauswurf gestimmt beziehungsweise sich enthalten hatten. Unter den Köpfen steht: "Wir sind die Spalter!" Demzufolge kamen die fünf Stimmen, die Kalbitz unterstützten, von diesem selbst sowie von Fraktionschefin Alice Weidel, Parteichef Tino Chrupalla, Parteivize Stephan Brandner und dem bayerischen Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka.

Parteivize Brandner begründete sein Votum für Kalbitz auf seiner Facebook-Seite damit, dass er sich seit seiner Wahl in den Vorstand "ganz klar gegen jeden Spaltungsversuch gestellt" habe.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" (FAS) berichtete unterdessen unter Berufung auf Meuthen und Bundestagsfraktionschef Alexander Gauland, die AfD könne das Dokument nicht mehr finden, das Kalbitz' Rauswurf begründen sollte. Sein Aufnahmeantrag sei verschollen. Damit stehe der Ausschluss auf der Kippe.

Meuthen sagte der "FAS", es gebe mindestens zwei Zeugen, die sich genau an die Prüfung des Inhalts des Aufnahmeformulars erinnern könnten. Daher gehe er "natürlich" davon aus, dass der Rauswurf Bestand habe. Gauland hingegen sagte dem Blatt, er halte "diese Geschichte für juristisch völlig verfehlt".

Falsche Schlüsse aus Parteiausschuss

Mit Skepsis reagierten Bundespolitiker in Deutschland auf den Entzug der AfD-Mitgliedschaft von Kalbitz. "Nur wenn sich die AfD ernsthaft von rechtsextremen Positionen und Personen trennt und auch alle Brücken zu diesen Verfassungsfeinden abbricht, werden die Beteuerungen glaubhaft", sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Patrick Sensburg am Sonntag dem "Handelsblatt".

Der SPD-Politiker Ralf Stegner warnte davor, falsche Schlüsse aus dem Parteiausschluss zu ziehen. Stegner sagte, die "Posse" um Kalbitz und die kürzlich verkündete Selbstauflösung des rechtsextremen "Flügels" der Partei seien "nur PR-Lametta und Propagandaseifenblasen der Rechtsradikalen, um das bürgerliche Wahlpublikum ". Der SPD-Fraktionschef im schleswig-holsteinischen Landtag fügte hinzu: "Die AfD ist und bleibt der politische Arm rechter Gewalt in Deutschland." Deshalb müsse sie "vom Verfassungsschutz überwacht und mit allen friedlichen Mitteln bekämpft werden".

Auch die Grünen sehen mit der Entscheidung gegen den Brandenburger AfD-Landes- und Fraktionschef keinen grundsätzlichen politischen Richtungswechsel verbunden. "Mein Eindruck ist, dass sich in der AfD gar nichts klärt", sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz dem Handelsblatt. Der Streit um Kalbitz verdeutliche nur, was der Bundestagsfraktionschef Gauland schon vor Monaten bezüglich des Thüringer Landeschefs Höcke versichert habe, "nämlich dass die extrem Rechten und Völkischen die Mitte dieser Partei sind".

(APA/AFP)

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