Automarkt

EU-Automarkt auf historischem Tiefpunkt

imago images/Sven Simon
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In der Coronakrise ist der Automarkt in der Europäischen Union fast zum Erliegen gekommen.

Die Coronakrise hat am europäischen Automarkt für einen historischen Rückgang gesorgt. Im April kamen in der EU 270.682 Neuwagen auf die Straßen, das waren um 76 Prozent weniger als ein Jahr zuvor, wie der europäische Herstellerverband ACEA am Dienstag in Brüssel mitteilte. Dies sei der stärkste monatliche Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen.

Grund war der fast vollständige Stillstand sowohl der Autoproduktion als auch des Autohandels zur Eindämmung der Pandemie. Im Mai dürfte sich die Lage etwas entspannen, da die meisten Länder die erlassenen Beschränkungen lockern. Branchenvertreter und Berater halten ein Konjunkturprogramm für notwendig, um die Nachfrage wieder anzukurbeln.

Am stärksten sank der Absatz im April in den vom Coronavirus besonders stark getroffenen Ländern Südeuropas. In Italien und Spanien brachen die Neuwagenverkäufe um rund 97 Prozent ein. In Skandinavien dagegen, wo die Einschränkungen des öffentlichen Lebens weniger stark waren, sank der Absatz lediglich um etwa ein Drittel. In Deutschland schrumpfte er um fast zwei Drittel. In Österreich waren die Autoverkäufe im April laut Statistik Austria ebenfalls um knapp zwei Drittel niedriger als vor einem Jahr.

Die Lockerungen in vielen Ländern werden sich nach Meinung von Experten allerdings noch nicht in höheren Verkaufszahlen niederschlagen. "Dass nun die Autohäuser in vielen Ländern wieder geöffnet haben, hat einen gewissen stabilisierenden Effekt", sagt Peter Fuß von der Unternehmensberatung EY. "Es führt aber nicht dazu, dass die Kunden wieder in Scharen in die Showrooms strömen". Viele Menschen machten sich Sorgen um ihren Job oder seien bereits arbeitslos. Auch bei den gewerblichen Zulassungen rechnet Fuß weiter mit starken Einbußen, da die Umsatzrückgänge viele Firmen zum Sparen zwingen.

Angesichts des schlechten Konsumklimas sei eine rasche Entscheidung über ein Konjunkturprogramm nötig, forderte Fuß. Seiner Ansicht nach sollte es eine Kaufprämie geben, um den Autoabsatz anzukurbeln. Diese Forderung, die auch von der Branche selbst vertreten wird, ist umstritten. Kritiker glauben, dass der Effekt - wie bei der Verschrottungsprämie unmittelbar nach der Finanzkrise - verpuffen und die Probleme lediglich ins nächste Jahr verschieben würde, da ohnehin geplante Autokäufe vorgezogen würden. Die aktuelle Diskussion über eine Kaufprämie führt zudem dazu, dass potenzielle Käufer abwarten.

Bei den Elektroautos, deren Zulassungen dank staatlicher Hilfen in vielen Ländern auch in der Coronakrise stiegen, dürfte der Boom ausgebremst werden, schätzt Fuß. "In diesem Segment sind es allerdings derzeit in erster Linie die Produktionsunterbrechungen und daraus resultierende Lieferengpässe, die die Neuzulassungen bremsen." Für viele E-Modelle liege noch eine hohe Zahl an Bestellungen vor. Mittelfristig werde sich die Konjunkturkrise aber auch auf die Orders für Elektroautos niederschlagen, aber voraussichtlich weniger stark als bei Volumenmodellen.

Fuß geht davon aus, dass die Krise der Automobilindustrie und ihren vielen Lieferanten länger zusetzen wird: "Die Branche wird mittelfristig mit massiven Überkapazitäten umgehen müssen, denn auch im kommenden Jahr werden wir noch mit den konjunkturellen Nachwehen der Krise kämpfen - selbst wenn die Pandemie dann vorüber sein sollte."

Weltweit fällt der Autoabsatz derzeit rasant. In den USA, wo die Viruskrise gerade ihre volle Wucht entfaltet, sanken die Verkäufe im April um 47 Prozent. Nach Angaben des deutschen Verbandes der Automobilindustrie gingen die Verkäufe von Personenwagen dort stärker zurück als bei leichten Nutzfahrzeugen, zu denen die in Amerika beliebten Pick-ups gehören. In Brasilien, wo das Virus ebenfalls grassiert, brach der Absatz um 77 Prozent ein. Einziger Lichtblick ist China, wo sich der Pkw-Markt nach der Coronakrise inzwischen erholt.

Zulieferer befürchten starke Jobverluste

Große Teile der deutschen Autozulieferindustrie stellen sich laut einer Mitgliederumfrage des Branchenverbands VDA im Fall anhaltend schwacher Fahrzeugverkäufe auf drastische Jobverluste ein. Allein in den 132 teilnehmenden Firmen sollen demnach schon bis zu 12.500 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen, falls die Nachfrage nicht bald anzieht.

Die Ergebnisse der Befragung mittelständischer Zulieferer lagen der Deutschen Presse-Agentur am Montagabend vor. Die analysierte Stichprobe steht für zusammen rund 187.000 Beschäftigte.

"Unter unveränderten Bedingungen werden bis Ende Juni 39 Prozent der Unternehmen Personal abbauen", so der Verband der Automobilindustrie (VDA) in Berlin. "Bis Ende Juli werden es 65 Prozent sein." Derzeit liefen bereits in jedem zehnten Betrieb Stellenstreichungen. Konkrete Pläne hierzu hätten aktuell drei von fünf Zulieferern. Manche Firmen erwägen demzufolge die Kürzung von bis zu 40 Prozent der Jobs.

Der Verband forderte einen "schnellen und wirksamen Nachfrageimpuls am Automobilmarkt, um einen massiven Verlust von Arbeitsplätzen und wirtschaftlicher Substanz in einer Schlüsselbranche in Deutschland abzuwenden". Vor allem Mittelständler seien jetzt in Gefahr.

Der Absatz der exportabhängigen Branche lahmt weltweit, lediglich in China entspannte sich die Situation zuletzt wieder etwas. Auch auf dem Heimatmarkt sieht es finster aus: Die Auto-Neuzulassungen in Deutschland sackten im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 61 Prozent ab. Unternehmen mussten ihre Produktion in weiten Teilen aussetzen, beim nach Bosch zweitgrößten Zulieferer Continental brach der Gewinn im ersten Quartal unterm Strich um fast die Hälfte ein.

(APA/Reuters/dpa)

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