NATO

Andeutung: Verlegung von US-Atomwaffen nach Polen?

In Deutschland herrscht Streit um US-Atombomben im Land. Eine Bemerkung der amerikanischen Botschafterin in Warschau, man könne diese B61-Bomben doch nach Polen holen, sorgt nun für Wirbel.

Eine Äußerung der US-Botschafterin in Polen vor wenigen Tagen, die auf Twitter getätigt worden ist, sorgt mittlerweile für Debatten - und vor allem für Konsternierung in Russland. Und zwar deshalb, weil es vom Thema her um eine eventuelle Verlegung von amerikanischen Atomwaffen ins NATO-Land Polen geht.

Hintergrund ist die kürzlich neu entflammte Debatte über US-Atomwaffen in Deutschland. Dort hat die Regierung Pläne, in den nächsten Jahren Dutzende neue Kampfflugzeuge zu kaufen, darunter 30 Boeing F/A-18 E/F „Super Hornet", die bei Bedarf auch Atombomben vom Typ „B61" tragen können. Dafür sind bisher deutsche „Tornado"-Jagdbomber abgestellt, die aber ziemlich am Rand ihrer Lebensdauer angelangt sind.

U.S. Air Force

Diese „nukleare Teilhabe", ein jahrzehntealtes Programm, im Rahmen dessen US-Nuklearwaffen im Extremfall auch durch NATO-Verbündete eingesetzt werden können, ist innerhalb Deutschlands jüngst wieder stark unter Beschuss geraten, vor allem seitens der SPD, der Grünen und der Linkspartei. Etwa zehn bis 20 solcher Bomben für die deutsche Luftwaffe sind noch auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz gelagert. Die Kritiker wollen die Bomben endlich außer Landes schaffen, ja sind überhaupt gegen den Kauf der Super Hornets, auch aus wirtschaftlichen Gründen.

„Dann könnte sie vielleicht Polen beherbergen"

In der NATO und vor allem den USA gibt es daher Befürchtungen einer Aufweichung der nuklearen Teilhabe durch Deutschland. Und auf die reagierte kürzlich eben die höchste US-Diplomatin in Polen, Georgette Mosbacher, wie folgt:

"Wenn Deutschland seine nuklearen Kapazitäten verringern und die NATO schwächen will, könnte sie vielleicht Polen beherbergen, das seinen gerechten Anteil (in Bezug auf Militärausgaben, Anm.) zahlt, die Risiken versteht und an der Ostflanke der NATO liegt."

Mosbacher (die 73-Jährige hat ihren Nachnamen von ihrem ersten Ehemann, einem US-Unternehmer mit deutschen Wurzeln) ist seit 2018 Botschafterin in Warschau. Die Republikanerin aus dem US-Staat Indiana hatte eine Top-Karriere in der Kosmetik- und Unternehmensberaterbranche hingelegt.

Lawrow warnt vor Bruch des Nato-Russland-Abkommens

Vor ihrer Ernennung zur Vertreterin in Warschau hatte sie kurzfristig für Wirbel in Polen gesorgt, als sie sagte, das Land sei am aktuellen Wiedererstarken des Antisemitismus in Europa mitschuldig - wegen eines Gesetzes, das es unter Strafe stellt, Verbrechen Nazideutschlands im Zweiten Weltkrieg auf polnischem Boden Polen zuzuschreiben (auch wenn diese Zuschreibung nur fahrlässig oder irrtümlich geschehen ist).

U.S. Embassy Warsaw

Am Dienstag reagierte Russlands Außenminister, Sergei Lawrow, auf Mosbachers Gedankenspiele: Solche Pläne seien eine Verletzung des NATO-Russland-Abkommens von 1997. Tatsächlich ist darin der Verzicht auf westliche Atomwaffen in neu zur NATO dazustoßenden Ländern Mittel- und Osteuropas verankert worden.

"Ich bezweifle, dass angesichts der NATO-Russland-Akte solche Pläne wirklich umgesetzt werden", meinte Lawrow.

Militär- und Politikexperten halten von so einer Verlagerung tatsächlich auch wenig: Es wäre erstens teuer, man müsste eigene Bunker anlegen und bewachen; die NATO habe aber andere praktische Prioritäten, meint etwa Steven Pifer, früherer US-Diplomat und Mitglied des Thinktanks der Brookings Institution in Washington.

Verlegung wäre strategisch ungünstig

Vor allem aber wären die Atombomben in Polen verletzlicher gegenüber russischen Präventivschlägen, weil sie etwa von Iskander-Raketen aus der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad/Königsberg nördlich von Polen innerhalb weniger Minuten bombardiert werden könnten. Bis zum Fliegerhorst Büchel hart im Westen Deutschlands sei die Vorwarnzeit doch etwas länger und könnten Flugzeuge dort außerhalb der Reichweite russischer Luftabwehrraketen aufsteigen. Im Luftraum über den wichtigsten polnischen Luftwaffenbasen hingegen könnten weitreichende Luftabwehrraketen der Russen aus Kaliningrad heraus wirken.

Lagekarte der 31. polnischen taktischen Luftwaffenbasis nahe Poznań (Posen), Standort vor allem für F-16-Jets:

Die Verlegung von Atomwaffen aus Deutschland nach Polen oder sonstwohin im NATO-Osten sei jedenfalls "enorm provokativ" für Moskau, so Pifer. Damit wolle er zwar nicht sagen, dass man Russland angesichts dessen eigener Provokationen der vergangenen Jahre nicht auch mit Macht entgegentreten solle. Aber im konkreten Fall sieht er keine Provokation der Russen, die man auf dieser Ebene unbedingt erwidern muss, und zog Parallelen zur Kubakrise 1962, als die Sowjetunion Atomraketen nahe vor der US-Küste stationiert hatte.

Im Übrigen würde so ein Vorhaben innerhalb der NATO zu Streit führen, wo man ja tatsächlich 1997 auf derartige Pläne vertraglich verzichtet hatte. Interne Spaltungen seien mit Hinsicht auf Russland aber nicht förderlich. Botschafterin Mosbacher hätte so ein Tweet besser nicht absetzen sollen, so Pifer, und es könnte der SPD sogar ein neues Argument im Teilhabestreit um die B61-Bomben am Fliegerhorst Büchel liefern. Denn nun könnte man ja fordern: "Schickt sie doch nach Polen."

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