Kolumne

Traumjobsuche? – bitte übertreiben Sie jetzt mal nicht!

Trotzdem Abheben zum Traumjob
Trotzdem Abheben zum Traumjob(c) Getty Images (pinstock)
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Auf zum Traumjob. Folge 17. Wie Corona den Weg zum Traumjob verändert.

Wenn man derzeit mitten im Bewerbungsprozess steht dann sind manchmal schon Goldschürferqualitäten gefragt, sagte eine meiner New Placement-KundInnen letzte Woche zu mir. „Entweder gibt es gar keine Inserate zu meiner Position, oder die wenigen relevanten verschwinden plötzlich über Nacht oder es hagelt eine Absage nach der anderen." Noch dazu fällt das Durchatmen derzeit besonders schwer, wenn einem der Mund und Nasenschutz im Gesicht klebt. Klingt also relativ aussichtslos, oder doch nicht?

Krisen sind die Zeiten der Superlative, leider gibt es diese aktuell hauptsächlich in negativer Form und wir Menschen lassen uns nur allzu gerne von diesen Superlativen anstecken. Aktuell wird einfach so gut wie alles übertrieben dargestellt.

Jeder Gang vor die Haustür stellt derzeit einen Drahtseilakt dar, nach jedem Einkauf beim Supermarkt sind Menschen erleichtert, weil sie einer tödlichen Falle entkommen sind und man wagt nicht einmal daran zu denken was passiert, wenn eine andere Person beim Warten auf den Coffee to go die Abstandsregeln nur für Sekunden verletzt hat und uns zu Nahe gekommen ist.

Der Tod lauert an jeder Ecke und es ist vollkommen egal, ob das Erdachte Szenario tatsächlich realistisch ist oder nicht. Selbst anerkannte Psychotherapeuten lassen sich in sozialen Medien zu derartigen Übertreibungen hinreisen, ganz zu schweigen von der Politik. Wir Menschen haben nun mal einen Faible für Weltuntergangsszenarien.

Unsere Literatur ist voll davon und am Stammtisch erhält jeder seit ewigen Zeiten mehr Applaus für die am glaubhaftesten skizzierte Bedrohung als für ein gemäßigteres oder gar positives Zukunftsbild. Die gesellschaftliche Klammer, oder sagen wir mal der aktuelle Unterton ist derzeit einfach negativ, wenn nicht sogar apokalyptisch besetzt.

Das wirkt sich, ob wir es wollen oder nicht, auch auf die eigene Wahrnehmung unserer Karrierechancen aus. Und ja, in der Regel haben sich diese aufgrund von Covid-19 jedenfalls verändert. In welcher Hinsicht lässt sich jedoch nur für jeden individuell bewerten.  

Eigene Karrierechancen in Relationen denken

So war es dann auch für meine eingangs genannte New Placement-Kundin. Ein genauerer Blick auf Ihre Bewerbungsaktivitäten zeigte sehr schnell, dass die Lage wohl doch nicht so fatal war wie wahrgenommen.

In Bezug auf die Ihre Suchzeit lag sie nach wie vor absolut im Rahmen. Das Verhältnis zwischen Bewerbungen zu Anzahl der Einladungen zu Interviews ebenso. Die Anzahl der Inseratbewerbungen war seit Beginn der Covid-19-Krise zwar zurückgegangen und es fanden sich definitiv weniger ausgeschriebene Stellen auf den Bewerbungsplattformen, jedoch war auch diese Veränderung nicht erschreckend.

Es stellte sich sehr schnell heraus, dass die New Placement-Kundin in ihrem Bewerbungsprozess relativ gut unterwegs war und noch kein wirklicher Grund zur Sorge bestand.

Um gelassen zu bleiben ist es also wichtig sich in puncto der eigenen Karrierechancen nicht von den grassierenden negativen Übertreibungen infizieren zu lassen. Derartige Relativierungen der eigenen Situation sind derzeit anders als unter „normalen Umständen, manchmal sogar täglich notwendig.

Eine reduzierte Anzahl an Inseratbewerbungen kann in der Regel sehr gut mit Initiativbewerbungen aufgefangen werden. Ein zusätzlicher Blick auf die eigenen Kompetenzen eröffnet in der Regel den Blick auf noch weitere, bis dato unentdeckte Karrierefelder.

Das bedeutet allerdings nicht den Arbeitsmarkt mit den eigenen Bewerbungsunterlagen zu überschwemmen und sich auf jede im Internet angebotene Stelle zu bewerben. Es bleibt weiterhin wichtig selektiv vorzugehen, da vor allem unnötige Absagen eine Negativspirale auslösen können und dadurch a la long zu mehr Frustration führen.

Umgang mit Zurückweisung lernen

Wenn die Anzahl der Absagen dennoch steigt ist es wichtig einen guten Umgang damit zu finden. Absagen gehören zum Bewerbungsprozess ganz einfach dazu und sie steigen naturgemäß an, je öfter man sich bewirbt. Das ist gerade jetzt gar nicht so leicht zu verdauen. Besonders in Krisensituationen steigt die Sensibilität diesbezüglich und die eigenen Ängste werden zusätzlich befeuert.

Damit der Selbstwert nicht darunter leidet empfehle ich meinen New Placement KundInnen mit unterschiedlichen Achtsamkeitsübungen die eigenen Kraftquellen zu stärken. Zur kurzfristigen Motivation hilft die sogenannte Championsformel.

Sie kommt aus dem Vertrieb und dient bei Cold Callern als kleine Krücke zur Selbstmotivation. Sie funktioniert folgendermaßen und zwar zählt man im ersten Schritt die Anzahl der verschickten Bewerbungen, also zum Beispiel 40 und die daraus resultierenden Intervieweinladungen, beispielsweise vier.

Danach dividiert man die Bewerbungen durch die Anzahl der Interviews. Das Ergebnis ist die ganz individuelle Erfolgszahl, welche besagt, dass wir, um zu einem Interview eingeladen zu werden, immer auch eine bestimmte Anzahl an Absagen quasi benötigen. Oder anders herum bringt uns jede Absage, die wir erhalten, dem nächsten Interview und somit womöglich dem unserem Traumjob wieder einen Schritt näher.

Aja, eine Sache noch und zwar ist ja Achtsamkeit derzeit in jeder Hinsicht gefragt, weshalb es ganz wichtig ist sich gerade jetzt so gut es geht von selbsternannten Weltuntergangspropheten fern zu halten. Dadurch bleibt man gut gelaunt und erspart sich die ein oder andere energieraubende Diskussion.

Gutes Gelingen!

Michael Hanschitz

Michael Hanschitz
Michael Hanschitz(c) Marek Knopp

Michael Hanschitz ist seit nunmehr 15 Jahren als New/Outplacementberater, Autor und Karrierecoach tätig. Er ist Gründer des Beratungsunternehmens Outplacementberatung (www.outplacementberatung.co.at) und Autor des Buches Menschen fair behandeln. Mit seiner Arbeit unterstützt er Menschen und Organisationen in schwierigen Veränderungsprozessen. Beraten mit Herz und Verstand lautet seine Devise.

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