Kolumne zum Tag

Ein Haufen Blütenblätter und der Blues der Jungen

(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Gerne in die Schule zu gehen, eine gute Erfahrung.

Die Pfingstrosen sind über Nacht aufgegangen und lassen mit ihrer ganzen Pracht ein wenig vergessen, dass die Freude über die Schönheiten des Mai recht bemüht ist. Ein paar Tage bringen sie verschwenderischen Glamour in die Küche, die das Wohnzimmer als Zentrum des Geschehens längst ersetzt hat.

Der Radius im Leben draußen ist klein geworden, auch drinnen ballt sich alles gerne in einem Raum zusammen. Ein nicht ganz konfliktarmes Konzept. Die Pfingstrosen verlassen das Chaos schließlich mit großer Geste, ein leuchtender Haufen Blütenblätter auf dem Küchentisch sagt Lebewohl.

Auch die Augen der Kinder leuchten, seit sie die Schule wieder von innen gesehen haben. Trotz Masken, Abstandhalten und Disziplin bringt das Wiedersehen mit den Freunden doch vor allem den lang vermissten Übermut zurück. So viel gekichert haben sie schon lange nicht mehr. Für die positive Energie vieler Lehrer, die teils so stumm gewordene Schüler wieder zum Plaudern bringen, ist man dankbar.

Die klare Trennung von Schule und Freizeit erleichtert spürbar. Home-Office und Homeschooling haben dieselbe Problematik: Man wird nie fertig. Irgendwas ist immer noch zu tun, oder es fühlt sich zumindest so an. Wenn an manchen Tagen gar nichts erledigt wird, sorgt das schlechte Gewissen für Druck. Selbstständig zu sein hat seinen Preis.

Umso mehr blutet einem das Herz, wenn man Maturanten kennt. Keine ausgelassene Reise, kein unbeschwerter Sommer warten auf sie. Sie sollten tanzen, singen, sich verlieben oder verliebt bleiben, sorglos sein, zumindest kurz einmal so ganz ohne Plan. Der Blues der Jungen, die etwas vermissen, was sie noch gar nicht hatten, das Gefühl, nach einer großen Leistung ein großes süßes Nichts auskosten zu können, der wird noch länger bleiben.

E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2020)

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