Wildbiologie

„Egal, was wir machen, der Wolf wird kommen“

Klaus Hackländer „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück“ ,Ecowin, 224 Seiten, 24 €.
Klaus Hackländer „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück“ ,Ecowin, 224 Seiten, 24 €.(c) Ecowin
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Lang galt der Wolf in Zentraleuropa als ausgerottet. Doch spätestens seit dem Fall des Eisernen Vorhangs wandern die Tiere auch immer öfter nach Österreich ein, inzwischen vermehren sie sich hier sogar. Den Folgen für Mensch und Tier widmet sich ein neu erschienenes Buch.

Er mag der Vorfahre des besten Freundes des Menschen sein, und manche – wenn auch wenige – Hunderassen sehen ihm noch immer zum Verwechseln ähnlich. Dennoch gehört der Wolf seit jeher zu den unbeliebten Vertretern des Tierreichs, er gilt als blutrünstig und hinterlistig, in Sagen, Mythen und Märchen kommt er meist schlecht weg.

Weil er für die sich immer weiter ausbreitende Landwirtschaft und Viehhaltung in Zentraleuropa sowie das Jagdvergnügen der Feudalherren zunehmend zum Problem wurde, begann im Mittelalter seine systematische Ausrottung. Dabei war jedes Mittel recht: Fangen und Erstechen in Wolfsgruben, das buchstäbliche Angeln der Wölfe mit im Köder versteckten Widerhaken (die u. a. auch als Stadtwappen und NS-Symbol verwendet wurden) oder das Vergiften mit Arsen. Nach einem halben Jahrtausend galt der Wolf in weiten Teilen Europas als ausgerottet.

Doch seit gut 30 Jahren zeigen verschiedene europäische und internationale Artenschutzabkommen ihre Wirkung – in etwa der gleiche Zeitraum, in dem die verbliebenen Wolfsrudel in Ost- und Nordeuropa durch den Fall des Eisernen Vorhangs auch wieder Reisefreiheit in Europa genießen. Sprich: Der Wolf ist zurück, und er vermehrt sich inzwischen in vielen Regionen exponentiell.

2016 gab es auch erstmals wieder ein reproduzierendes Rudel in Österreich – für den Wildbiologen Klaus Hackländer von der Wiener Universität für Bodenkultur Anlass, sich mit den Folgen dieser Neubesiedelung auseinanderzusetzen. Diese Woche erschien sein Buch „Er ist da. Der Wolf kehrt zurück“ (Ecowin), das – so scheint es dem Laien – jede erdenkliche Frage zum Wolf beantwortet.

Österreich ist Wolf-Paradies

„Sehr viele Leute haben zum Wolf eine Meinung, doch die Basis dafür ist oft recht dünn. Im Buchhandel findet man auch meist nur Mystisch-Esoterisches, wissenschaftliche Bücher sind häufig alt und vergriffen“, beschreibt der Forscher seine Motivation, über die Rudeltiere zu schreiben. Dabei sei eine rationale und differenzierte Auseinandersetzung dringend nötig: Österreich ist für Wölfe ein Paradies, durch den hohen Wildtierbestand und die großen Waldflächen ohne Nahrungskonkurrenten werden sie sich nach aktuellen Prognosen jährlich um 30 Prozent vermehren.

Die öffentliche Meinung dazu ist geteilt: Auf der einen Seite stehen jene, die nicht von der Wiederkehr der Wölfe betroffen sind – also vor allem die Stadtbevölkerung. Sie sind den Raubtieren gegenüber meist positiv eingestellt und befürworten die strenge Gesetzeslage, die den Wolf nach wie vor unter Schutz stellt, obwohl er längst nicht mehr zu den bedrohten Tierarten zählt. Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die tatsächlich mit dem Wolf leben müssen – also Bewohner ländlicher Regionen, in denen er sich ansiedelt, und Viehzüchter, die um ihre Tiere bangen.

Abschuss ab Obergrenze

Vor allem die Almwirtschaft leide bereits unter der unkontrollierten Ausbreitung der Beutegreifer, betont Hackländer. „Durch die Abwesenheit des Wolfs konnten wir es uns in den vergangenen 150 Jahren leisten, Hunderttausende Schafe, Ziegen und Rinder auf die Alm zu schicken, ohne viel nach ihnen schauen zu müssen. Das könnte sich mit dem Wolf schlicht nicht mehr rentieren.“ Abwehrmaßnahmen wie Zäune, Hunde oder Hirten seien zwar möglich, aber gerade in unwegsamem alpinen Gelände extrem aufwendig und teuer. Die Wölfe durch Bejagung zu dezimieren ist dagegen nur in wenigen Ausnahmefällen erlaubt.

„Egal, was wir machen, der Wolf wird kommen“, prognostiziert Hackländer. „Die Frage ist, welche rechtlichen Voraussetzungen brauchen wir, damit eine Koexistenz möglich wird.“ Eine Option wäre es, den Wölfen beizubringen, sich von Menschen fernzuhalten, so wie es etwa in Frankreich praktiziert wird. Hier gibt es eine Obergrenze von 500 geschützten Tieren, die scheu bleiben – denn alles darüber darf geschossen werden.

In Zahlen:

3 Rudel mit 35 Wölfen wurden 2019 in Österreich gezählt.

1000 Kilometer und mehr können Wölfe auf der Suche nach Geschlechtspartnern und günstigen Territorien zurücklegen.

1381 Wölfe hätten rein rechnerisch aufgrund der Nahrungsverfügbarkeit in Österreich Platz – was einer Dichte von 16,5 Wölfen pro 1000 km2 entspricht. Ohne Konflikte mit Menschen sind es nur 660 Tiere.

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