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Wie Corona die Harmonie förderte

In der Krise gab es weniger wütende und mehr freundliche Postings.

Wien. Auch wenn es dem einem oder der anderen vielleicht anders vorgekommen ist: Die Coronakrise hat die Menschen freundlicher gemacht. Allerdings auch trauriger.

Zumindest legt das die Beobachtung aller innerhalb von Österreich versandten Tweets und eines Zeitungsforums („Standard“) nahe. Forscher des Complexity Science Hub (CSH) Vienna vermessen seit Ausbruch der Coronakrise dort mithilfe von Wortlisten täglich die Emotionen – und vergleichen sie mit anderen Ländern. Auch wenn die Ergebnisse nicht repräsentativ sind und streng genommen nicht Emotionen, sondern Sprache analysiert wird, wie Forscherin Hannah Metzler klarstellt, fand man Spannendes heraus.

Erstens: Corona kam und die Wut ging. Nicht nur in Österreich, sondern in den meisten Ländern (Ausnahme: Spanien). Am Tiefstand gab es fast ein Drittel weniger Postings mit Wutworten (z. B. Hass, Scheiß, Nerven) als noch 2019. Inzwischen nähert man sich wieder dem alten Level an, wobei sich auf dem Weg dorthin tagespolitische Ausschläge nach oben zeigen. So entfachte die Debatte über das politische Schüren von Angst oder der Kleinwalsertal-Auftritt des Kanzlers getippten Zorn.

Am Anfang war die Angst

Frühester und stärkster Indikator der Krise war aber nicht die Wut, sondern die Angst. Die Angstwortwolke zog bereits Ende Februar auf. Und sie war doppelt so groß wie 2019. Am größten war sie vor den Lockdown-Maßnahmen. Sobald es einen Plan – wenn auch einen strengen – gab, verringerte sich die Furcht.

Dafür setzte ab da die Traurigkeit ein. Es gab mit dem Lockdown fast um ein Viertel mehr traurige Tweets als im Vorjahr. Die Traurigkeit betraf, so Metzler, anders als in Italien, wo es um tote Bekannte ging, vor allem den Verlust des Alltagslebens. Seit Mitte April ist die Trauerphase aber wieder vorbei. Was überrascht: Während der ganzen Zeit war die allgemeine Zufriedenheit besser als 2019, es wurden also mehr positive Gefühle geäußert. Das war nur in sehr wenigen Ländern (z. B Schweiz, Niederlande) der Fall. Auch prosoziale Begriffe (z. B. verstehen, Gewissen) fielen um circa 15 Prozent öfter als im Vorjahr. Seit Mitte Mai ist aber auch hier – leider? – wieder alles beim Alten. (uw)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.05.2020)

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