Aura trotziger Widerständigkeit.

Virus Nationalismus: Zum Revival eines Totgesagten

Ob Liberalismus, Sozialismus oder Konservatismus: Mit ihnen allen hat sich der Nationalismus im Lauf der Geschichte problemlos verbunden. Und gerade dieser Tage erlebt er seine abermaligste Renaissance. Geschichte und Gegenwart eines politischen Wiedergängers.

Eigentlich dürfte es sie gar nicht mehr geben: die Nation. Jedenfalls, wenn man der materialistischen Prämisse von Karl Marx folgt, wonach die ökonomische Basis den Überbau der jeweiligen Gesellschaft bestimmt. Diese ist, damals wie heute, die marktkapitalistische Ökonomie, jener nicht zuletzt der Nationalstaat und, um einen Begriff von Florian Bieber aufzugreifen, sein „virulenter“ Begleiter, der Nationalismus. Zu Recht lehnt der Grazer Historiker es ab, einem negativen Nationalismus einen „gesunden“ Patriotismus gegenüberzustellen und betont die überlappenden Intentionen beider Begriffe. Ob Patriotismus oder Nationalismus, stets geht es um Ausschließung, um Vorstellungen von möglichst absoluter Autonomie und um das imaginierte, übersteigerte gemeinsame Selbst.

Bieber, dessen Buch „Debating Nationalism“ Anfang 2020 erschienen ist, konnte nicht wissen, wie aktuell die Zuschreibung des Virulenten sein würde, als er den aggressiven und expliziten Nationalismus in seiner Funktionsweise mit dem unheimlichen „Wesen“ verglich, das momentan Basis wie Überbau menschlicher Gesellschaften bedroht. Dass das Virus gegenwärtig den Nationalismus virulent, giftig, macht, ist unübersehbar. Der komische Wettbewerb der europäischen Nationen im Kampf gegen Corona ist dabei noch der harmloseste Aspekt. Viel beunruhigender ist der damit einhergehende Effekt, die auch pragmatisch sinnvolle europäische bi- und multilaterale Kooperation zu neutralisieren.

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