Spectrum

Welten aus Garn

Drachen einmal anders – schon vor seinem Erscheinen hat das Computerspiel Weaving Tideseine beachtliche Fangemeinde gefunden. Ein junges Team aus heimischen Entwicklern wirft einen Kosmos aus lockeren Fäden auf den Gaming-Markt. Eine Vorschau.

In Videospielen gibt es keine Grenzen. Ihre virtuellen Welten müssen sich nicht an physikalische Gesetze halten, ihre Figuren können jede gewünschte Form und Fähigkeit haben. Trotz dieses hohen Potenzials zeigen uns Games gern Dinge, die uns vertraut sind: Nachbildungen von Natur und Urbanität, Inszenierungen von Wettbewerben und Konflikten, Erzählungen von zwischenmenschlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen. Gute Computerspiele schaffen es, ihre Welten greifbar zu machen – nicht nur in Bezug auf Spannung und Motivation, sondern auch hinsichtlich spezifischer Materialeigenschaften.

Im Spiel kann sich etwa eine Spitzhacke behäbig anfühlen, ein Fußball ein gewisses Gewicht haben oder eine bestimmte Oberfläche ihre haptischen Merkmale spürbar machen. Es gibt Games, die Papier oder Stoff erfolgreich in die digitale Welt übertragen, beispielsweise das im Stickdesign-Look gehaltene Geschicklichkeitsspiel „Yoshi's Woolly World“ oder das in einer Papier- und Kartonwelt gestaltete interaktive Abenteuer „Tearaway“. Dieses ist auch eines der Vorbilder des jungen, vierköpfigen Spielentwicklerteams namens Follow the Feathers. Verena Demel, Klaus Fehkührer, Michael Huber und Sebastian Rangger arbeiten seit über zwei Jahren an „Weaving Tides“, wo man mit einem Teppichdrachen die Spielewelt zusammenwebt. Die erste Inspiration für diese außergewöhnliche Idee hatte Verena Demel, die kreative Leiterin des Projekts, bei einem Spaziergang in Hallein vor ein paar Jahren: „Als mein Blick auf einen Baum fiel, dessen Borke mich an Gewebe erinnerte, stellte ich mir sofort eine Welt vor, die ganz und gar aus Textil bestand. Ich war fasziniert von dem Gedanken, wie eine lebendige Textilwelt funktionieren könnte und welche Lebewesen sich in dieser entwickeln würden.“ Textilien kennen wir alle aus dem Alltag. Eine komplett gewebte Welt hingegen ist in unserer physischen Welt schwer vorstellbar. Aus diesem Grund ist nach und nach das märchenhafte Setting von „Weaving Tides“ entstanden, wie Demel im Gespräch weiter ausführt: „Eine Welt, die nur aus lockeren, schwebenden Fäden besteht, wäre kein natürlicher Lebensraum für einen Menschen. Geschichten wie ,Das Dschungelbuch‘ und ,Das letzte Einhorn‘ waren deshalb Inspirationen dafür, wie ein einzelner Mensch in das Gefüge dieser fantastischen, fremden Welt passen könnte.“ Dieser einzelne Mensch ist in „Weaving Tides“ der Hauptcharakter, in dessen Rolle Spielerin und Spieler schlüpfen. Tess wurde als Kind von einem Teppichdrachen adoptiert, seine wahre Herkunft ist jedoch vorerst unbekannt. Dieses Rätsel zu lösen ist eine der Hauptmotivationen des Spiels. Vorerst aber macht man sich mit seinem Drachenfreund vertraut, auf dem Tess fortan die Gewebewelt erkundet. Der Drache zieht immer eine Art überdimensionales Garn hinter sich her, mit dem Löcher in der Landschaft gestopft, Muster genäht oder Feinde auf den Boden gefesselt werden können. Dabei soll laut dem Entwicklerteam immer eine Balance zwischen Zugänglichkeit und Herausforderung gewahrt bleiben. „Weaving Tides“ soll nämlich einsteigerfreundlich sein und nicht nur erfahrene Computerspieler ansprechen, erklärt Animations- und Gamedesigner Klaus Fehkührer: „Wir versuchen, eine angenehme Lernkurve zu schaffen. Man lernt zum Beispiel in einer Aufgabe, bei der man fliegende Schafe einfangen muss, dass man schwebende Seile auf den Boden ziehen kann. Später sind diese magischen Seile Teil eines größeren Rätsels, und nochmal später wendet man dieselbe Technik bei einem besonders starken Gegner an.“

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