Brachflächen

Das langsame Verschwinden der Wiener Gstätten

In einer wachsenden Stadt werden zunehmend bisher sich selbst überlassene und brachliegende Flächen genutzt und bebaut. Damit verschwinden aber auch Freiräume, in denen man der städtischen Ordnung zumindest zeitweise entkommen konnte.

Großmutter Weide. So hatten die Kinder den Hollerstrauch genannt. So wie der sprechende Baum aus dem Disney-Film „Pocahontas“. „Da ist er gestanden“, sagt Eva-Maria Wohlfarter. Wo sie hinzeigt, steht ein Bauzaun. Dahinter eine gerodete Fläche. Von weiter her ist das Geräusch eines Baggers zu hören. Als sie selbst noch ein Kind war, hat sie oft hier gespielt. Gemeinsam mit den anderen Kindern aus der Wohnanlage. Es war ein riesiger Spielplatz. Nur, dass er nicht als Spielplatz gewidmet war. Und es kümmerte sich auch niemand um den Ort, die riesige Brachfläche im Bereich des Bahnhofs Hütteldorf. „Es war meine Gstätten.“

Für sie und die anderen Vorstadtkinder war es ein wildes Stück vom Paradies, wie sie es nennt. Ein Ort, an dem man eben Bäumen einen Namen gab, auf der Böschung fangen spielte, über Schieferplatten den Hang hinunterrutschte und sich in Astlöchern geheime Nachrichten versteckte. Die Böschung hinter dem Haus, in dem sie früher wohnte, die gibt es noch. Aber die große Wildnis dahinter, die verschwindet gerade.

»Eine Gstätten wird heute in der Sprache der Stadtplanung Entwicklungsgebiet genannt.«

Hunderte Büsche und Bäume wurden schon gerodet. Die alte Lagerhalle, die hier stand, ist schon abgerissen. Seit Corona ist ein wenig Ruhe eingekehrt, steht die Baustelle still. Die Bagger, die Erdhaufen zur Seite schieben, sind nicht zu hören. Und der Lärm von Sägen, Baumaschinen und Häckslern ist wieder zugunsten von Vogelgezwitscher verschwunden. Und dennoch, auch wenn die Baustelle gerade Pause macht, die Wildnis aus Wohlfarters Kindheit ist weitgehend verschwunden. In der Sprache der Stadtplanung sagt man Entwicklungsgebiet dazu. Auf dem rund 3,2 Hektar großen Areal wird ein Schulcampus für mehr als 1000 Kinder gebaut, daneben sollen rund 450 Wohneinheiten entstehen.

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