Grenzkonflikt

Türkischer Vorstoß auf griechisches Gebiet

Der Grenzfluss Evros auf einer Archivaufnahme.
Der Grenzfluss Evros auf einer Archivaufnahme.(c) APA/AFP/SAKIS MITROLIDIS
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Ein Schwemmland im Grenzfluss Evros war offenbar tagelang von türkischen Soldaten besetzt. Grenzkonflikte nehmen seit Monaten zu.

Athen/Ankara. Der Grenzkonflikt zwischen der Türkei und Griechenland hat sich zugespitzt, nachdem türkische Truppen in der Region Thrakien offenbar tagelang ein Stück griechisches Gebiet besetzt hielten. Athen hat Protest in Ankara eingelegt und das Nato-Hauptquartier in Brüssel informiert.

Bei dem Gebiet handelt es sich um Schwemmland am Grenzfluss Evros (Türkisch: Meriç; Deutsch: Mariza) nahe der Ortschaft Doriskos, rund 800 Meter lang in West-Ost-Achse und 400 Meter breit. Der Hauptarm fließt am Westrand vorbei, sodass es sich wie eine Zunge vom Fluss weg nach Osten schiebt. Dort wird es vom Bett eines Evros-Nebenarms umrundet, der im Winter und Frühjahr gefüllt ist, dann ist auch die Landfläche großteils überschwemmt. Danach wird das Gebiet trocken und zu einer Flussinsel.

Laut den Verträgen von Sèvres 1920 und Lausanne 1923 bilden der Evros bzw. Nebenarme die Grenze; das besagte Schwemmland ist griechisch. Laut Berichten aus den Ministerien für Äußeres und Verteidigung waren am Donnerstag dort etwa 40 türkische Soldaten aufgetaucht, bauten ein Lager und ignorierten Aufforderungen, abzuziehen. Die Aktion hielt bis zumindest Freitag an. Am Samstag setzte Athen auf Entspannung: Es gebe jetzt „keine fremde Macht auf griechischem Boden“. Außenminister Nikos Dendias sagte, dass man über lokale Probleme der Grenzziehung im Rahmen eines technischen Komitees sprechen könne.

Seit Wochen hatten türkische Kampfjets wiederholt griechische Flugzeuge und Hubschrauber über der Ägäis bedrängt und Inseln überflogen. Türkische Soldaten schossen am Evros hinüber nach Griechenland, dabei kamen auch deutsche Beamte der EU-Grenzschutzagentur in Gefahr. Im Februar und März wollten Tausende Migranten über den Fluss nach Griechenland, nachdem die türkische Regierung erklärt hatte, die Grenze sei offen.

Griechenlands Generalstabschef, Konstantinos Floros, warnte im Gespräch mit hohen Nato-Offizieren, dass „die türkischen Provokationen in der Ägäis und am Evros mit mathematischer Präzision zu einem Unfall mit unabsehbaren Folgen führen werden“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2020)

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