Kolumne zum Tag

Wie kann eigentlich eine Hutschnur platzen?

Ende Hut, alles Hut.
Ende Hut, alles Hut.(c) imago images/Westend61
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Einen Hut trägt heute kaum jemand, in der Sprache wird er aber immer noch aus dem Hut gezaubert.

Hüte sind eigentlich nicht meine Kragenweite. Aber zumindest sprachlich ist die Kopfbedeckung kein alter Hut. Denn nach wie vor wird etwa davon gesprochen, dass jemand den Hut nimmt, wenn man von einem Amt zurücktritt. Was wohl daher kommt, dass man früher, als man noch Hüte trug, seinen Abschied ankündigte, indem man den Hut vom Kleiderständer nahm. Es gibt aber auch die umgekehrte Redewendung, dass man etwas nicht nimmt, sondern an den Nagel hängt. Die kommt daher, dass man früher Dinge, die man gerade nicht brauchte, an Wandnägeln aufhängte. Daraus entwickelte sich die Redensart, dass man, wenn man etwas aufgibt, meist eine Tätigkeit, symbolisch ein typisches Werkzeug an den Nagel hängt. Den Hut an den Nagel zu hängen, dürfte wohl eine Vermischung aus den beiden Redensarten sein.

Aber man kann noch etwas aus dem Hut zaubern, nämlich den Hut in Zusammenhang mit Wut – dass einem der Hut hochgeht, zum Beispiel. Es gibt da die Theorie, dass das mit Slapstickfilmen à la Charlie Chaplin zu tun hat, wo bei Figuren als lustiger Effekt tatsächlich der Hut vom Kopf abhob. Es gibt auch die Redewendung, dass jemandem etwas über die Hutschnur geht. Was ist mit Hutschnur gemeint? Wohl die kreisförmig um den Hut angebrachte Schnur, die ein Auseinandergehen des Hutmaterials verhindern soll.

Und wenn jemandem etwas über die Hutschnur geht, ist das sogar noch etwas mehr, als wenn einem das Wasser bis zum Hals steht. Gemeint ist also, dass etwas zu weit geht. Aber wie kann einem, wie es manchmal zu hören ist, die Hutschnur reißen oder platzen? Nun, da dürfte es auch eine Vermischung mit anderen Redensarten gegeben haben. Wenn etwa der Geduldsfaden reißt oder einem der Kragen platzt. Ein sprachlich schiefes Bild, also. Damit aber genug für heute – Ende Hut, alles Hut.

E-Mails an: erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2020)

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