Antisemitismus

Coronakrise lässt Judenhass steigen

Ein Anti-Corona-Demonstrant trägt einen Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft".
Ein Anti-Corona-Demonstrant trägt einen Judenstern mit der Aufschrift "ungeimpft".imago images/Willi Schewski
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Im Vorjahr wurde der Rekordwert von über 500 antisemitischen Vorfällen in Österreich gemeldet. Die Coronakrise wirkt dabei als Brandbeschleuniger. Vor allem auf den „Hygienedemos“ gegen die Coronamaßnahmen kommt es zu judenfeindlichen Aktionen.

Die Zahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle hat in Österreich einen neuen Höchstwert erreicht. Der Antisemitismusbericht für das Jahr 2019 verzeichnet insgesamt 550 Vorfälle, was einer Steigerung um 9,5 Prozent binnen zwei Jahren entspricht und eine mehr als eine Verdoppelung binnen fünf Jahren bedeutet. Die Coronakrise könnte einen weiteren Anstieg mit sich bringen, befürchtet der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Benjamin Nägele. Er warnt davor, das Judenhass in der Mitte der Gesellschaft ankommen könnte.

In den vergangenen Jahren waren es Ereignisse, wie Entwicklungen im Nahostkonflikt, die Terroranschläge vom 11. September oder die Finanzkrise, die vermehrt zu antisemitischen Vorfällen geführt haben. Klassische antisemitische Verschwörungsmythen - Stichwort "Brunnenvergifter" - würden aber auch in der derzeitigen Coronapandemie vermehrt bedient, beobachtet der IKG-Generalsekretär.

Auch in der Esoterikszene wächst Antisemitismus

Vor allem bei den sogenannten "Hygienedemos" gegen die Corona-Maßnahmen kommt es derzeit vermehrt zu judenfeindlichen Aktionen. Diese ließen sich auch nicht den klassischen Kategorien zuordnen, wie politisch rechts oder links motiviert. Denn auch in der Esoterikszene oder etwa unter Impfgegnern wachse die Empfänglichkeit für Stereotype. "Es zeigt, wie gefährlich dieses antisemitische Virus ist", so Nägele, der in der Problematik eine große Herausforderung sieht.

Dennoch sieht der IKG-Generalsekretär die Situation in Österreich "zum Glück um einiges stabiler" als in Deutschland - wobei er überzeugt ist, "dass wir hier noch am Anfang stehen" und sich die Situation etwa durch die sich anbahnende Finanzkrise zuspitzen könnte. Hilfreich sei jedenfalls die laut Nägele gute Kooperation mit der Regierung und dem Verfassungsschutz. Dialog finde statt, hilfreich sei etwa die Antisemitismusstrategie des Bundes.

Politisch schwerer zuordenbar

Trotz der Sorge um die Mitte der Gesellschaft waren im Jahr 2019 aber immer noch etliche Übergriffe rechtsextrem motiviert, wie der Antisemitismusbericht zeigt. Ein fast genauso großer Teil war wiederum keiner klassischen Kategorie zuordenbar. So könne man etwa bei Hakenkreuz-Schmierereien oft nicht wissen, ob tatsächlich Neonazis am Werk waren, oder sich etwa Islamisten dieses Symbols bedienen, gibt Nägele zu bedenken.

Der Großteil der 2019 gemeldeten Vorfälle in Wien betraf zu 43 Prozent "verletzendes Verhalten", wie zum Beispiel Beschimpfungen. Einen weiteren großen Anteil von 38 Prozent machen "Massenzuschriften" aus, wobei auch Inhalte im Internet mitgerechnet wurden. In 14 Prozent der Fälle kam es zu Sachbeschädigung, wie Beschmierungen. 18 Mal (3 Prozent) wurden Bedrohungen verzeichnet, sechs Mal (1 Prozent) kam es tatsächlich zu einem dokumentierten körperlichen Angriff.

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