Die körpereigene Beherrschung einer Aids-Infektion ohne Medikamente wäre "perfekt". Eine vollständige Heilung schließt Francoise Barre-Sinoussi, die Entdeckerin des Virus, allerdings aus.
33,4 Millionen Menschen leben weltweit mit HIV. Auf zwei Menschen, die in eine potenziell lebensrettende Behandlung kommen, entfallen noch immer fünf, die sich neu anstecken. Diesen Wettlauf gegen die Erreger der Immunschwächekrankheit könnte man am besten mit Methoden gewinnen, welche eine Infektion mit den Aids-Erregern wieder beseitigen könnten. Doch die französische HIV-Entdeckerin und Medizin-Nobelpreisträgerin des Jahres 2008, Francoise Barre-Sinoussi, ist glaubt nicht daran.
"Den Begriff 'Heilung' mag ich nicht"
"Dass man HIV wieder ganz aus dem Körper eines Infizierten wegbringen könnte, das wird sehr schwer bis unmöglich sein", erklärte sie Samstagabend in einem Gespräch. "Den Begriff 'Heilung' mag ich im Zusammenhang mit HIV nicht sehr. Wenn man von 'funktioneller Remission' sprechen könnte, also dass jemand mit der Infektion die HI-Viren ohne ständige Medikamente beherrschen kann, das wäre o.k. - das wäre ja schon perfekt", sagte die französische Forscherin. Im Vorlauf zur heute, Sonntag, in Wien startenden Internationalen Aids Konferenz (bis 23. Juli) organisierte sie in der Universität Wien ein hochrangig besetztes zweitägiges Seminar mit dem Titel "In Richtung Heilung: HIV-Reservoirs und Strategien, um sie zu kontrollieren".
Sinoussi erwartet keine Neuigkeiten
Die Aufgabe der Internationalen Aids Konferenz mit rund 25.000 Teilnehmern sieht Francoise Barre-Sinoussi nüchtern: "Ich erwarte keine ganz großen wissenschaftlichen Neuheiten. Aber wir Forscher müssen der Politik und den Aids-Betroffenen unserer Fortschritte darstellen. Damit sie weiter handeln können. HIV und Aids war von Anfang an ein Querschnittsthema. Wenn nur wir Virologen in unserer Ecke gearbeitet hätten, wären wir nie soweit gekommen, wie wir es sind."
HIV-Sterblichkeit um 85 Prozent reduziert
Warum man trotzdem intensiv nach Möglichkeiten forschen sollte, um HIV-Infektionen - sie bleiben ja auch im Körper bestehen, wenn im Blut praktisch keine Viren mehr zu entdecken sind - endgültig zu beherrschen? "Unsere gegenwärtige Behandlung ist schon sehr effizient. Aber, sie muss lebenslang eingenommen werden. Wir haben die Sterblichkeit durch HIV (in den westlichen Industriestaaten, Anm.) um 85 Prozent reduziert. Aber es ist noch immer eine Dauerbehandlung. Und ein Teil der Patienten unter hoch aktiver antiretroviraler Therapie bekommen früher Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mehr Krebs und leiden unter den Langzeit-Nebenwirkungen."
"Wir haben ein Kommunikationsproblem"
Und schließlich, so Francoise Barre-Sinoussi: "Natürlich müssen wir für den Zugang aller Betroffenen zu den Therapien kämpfen. Aber das ist auch sehr schwierig zu erreichen - und wird sehr kostspielig." Laut den neuesten WHO-Behandlungsrichtlinien für HIV-Infektionen müssten eigentlich jetzt schon statt derzeit fünf Millionen HIV-Infizierte, 20 Millionen HIV-Positive therapiert werden. Das sei auch vielen jungen Menschen nicht bewusst: "Wir haben da ein Kommunikationsproblem. Manchmal sind es die Menschen auch müde, ständig an HIV und Aids erinnert zu werden."
(APA)