Rechtsfrage

Allgemeinflächen: Eine für alle, keine für einen

Nicht erlaubt, mitunter geduldet: Schuhregal am Gang.
Nicht erlaubt, mitunter geduldet: Schuhregal am Gang.(c) Getty Images/iStockphoto (FilippoBacci)
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Wer die Gänge im Mehrparteienhaus als Abstellkammer für seinen Hausrat verwendet, kann sich Ärger einhandeln – von der Abmahnung durch die Hausverwaltung bis zur Klage vor Gericht.

Wer die Gänge im Mehrparteienhaus als Abstellkammer für seinen Hausrat verwendet, kann sich Ärger einhandeln – von der Abmahnung durch die Hausverwaltung bis zur Klage vor Gericht.
Das Stiegenhaus ist keine Verlängerung der eigenen Wohnung“, stellt die Wiener Rechtsanwältin Olivia Eliasz klar. Das heißt: Persönliche Gegenstände, für die man in den eigenen vier Wänden keinen Platz hat, darf man in Mehrparteien- oder Zinshäusern nicht so einfach auf den Gang stellen. Die unter anderem auf Immobilienrecht spezialisierte Juristin hat dazu kürzlich im Linde-Verlag das Buch „Wohnrecht“ herausgebracht, in dem sie „70 klassische Fälle“ aufzählt: Anlassfälle für Unfrieden in Wohnanlagen oder für Unstimmigkeiten zwischen Mieter und Vermieter.

Streitklassiker: Schuhregal

Ein Klassiker ist das Schuhregal vor der Wohnungstür. „Stiegenhäuser und Gänge zählen zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft, die der allgemeinen Benützung dienen und deren Zweckwidmung einer ausschließlichen Benützung entgegensteht“, erklärt Eliasz. Ein einzelner Hausbewohner darf diese nicht in Beschlag nehmen. Ausnahmen sind allerdings möglich – nämlich dann, wenn zum einen sämtliche Miteigentümer der Liegenschaft damit einverstanden sind und ein Sondernutzungsrecht genehmigen. Zum anderen dürfen natürlich weder die Hausordnung noch gesetzliche Bestimmungen – wie etwa das Feuerpolizeigesetz – dagegen sprechen. In Wien etwa wurde dieses Gesetz vor fünf Jahren verschärft und besagt, dass nicht nur das Lagern von brandgefährlichen Stoffen verboten ist, sondern dass man auch keine „leicht umzuwerfenden, leicht zu verschiebenden oder den Fluchtweg einengenden“ Gegenstände im Verlauf dieser Fluchtwege abstellen darf.

Ähnlich verhält es sich mit Fahrrädern. Das kann vor allem dann zum Problem werden, wenn es keinen Fahrradabstellraum im Haus gibt. Denn auch die Wiese vor dem Haus und die Hauseinfahrt sind Allgemeinflächen. „Sondernutzungsrechte, die es erlauben, das Rad an bestimmten Stellen abzustellen, sollten im Mietvertrag schriftlich vereinbart werden“, rät Christian Lechner, Vorsitzender und Geschäftsführer der Mietervereinigung Steiermark.

Eine andere Möglichkeit: In etlichen älteren Wohnhäusern gibt es im Keller eine Waschküche, die als solche nicht mehr verwendet wird. „Wenn derartige Räume von den Bewohnern zum Abstellen von Fahrrädern verwendet werden und dies über einen langen Zeitraum unbeanstandet bleibt, dann kann theoretisch eine sogenannte konkludente Vereinbarung entstehen und diese Verwendung sodann erlaubt sein“, sagt Eliasz.
Pflanzen in Eigenregie zur Behübschung aufs Fensterbrett im Stiegenhaus zu stellen ist ebenfalls nicht gestattet. Da das Feuerpolizeigesetz dem möglicherweise nicht entgegensteht, könnte man die Zustimmung der Miteigentümer einholen. Dasselbe gilt für das Aufstellen von (aufblasbaren) Swimmingpools, großen Trampolinen oder Spielgeräten im Hof durch eine Mietpartei.

Zuerst reden, dann klagen

„Auch der Garten als Gemeinschaftsanlage ist in der Regel allen Mietern zugänglich, niemand darf einen Teil davon für sich allein in Anspruch nehmen“, sagt Lechner. Will jemand ein Blumen- oder Gemüsebeet anlegen, geht das nur mit Eigentümerzustimmung. Sich im Liegestuhl zu sonnen, entspricht dem Zweck der Wiese, des Innenhofs oder der Dachterrasse. „Sich dort mittels dauerhaft abgestellter Liege einen Platz zu reservieren, wird hingegen als nicht zulässig erachtet“, erklärt Lechner.

Do's & Don'ts bei Allgemeinflächen

► Genehmigung: Wer Allgemeinflächen für sich privat nützen will, kann sich das schriftlich von allen Eigentümern der Liegenschaft genehmigen lassen. Bei Eigentümerversammlungen sind jedoch selten alle Eigentümer zugegen. Das dort zu beantragen und die Genehmigung protokollieren zu lassen reicht in diesen Fällen nicht. Bis man alle Unterschriften für das Sondernutzungsrecht hat, kann es daher lang dauern.

► Fassaden: Auch die Fassade eines Mehrparteienhauses kann ein Mieter nicht für eigene Zwecke benutzen. Vorsicht also bei Kletterpflanzen. Diese auf dem eigenen Balkon in den Topf zu setzen ist zwar erlaubt, wenn sich Efeu und Co. aber an der Hauswand emporranken, sollte man lieber die Zustimmung der Eigentümer einholen. Das gilt auch für fix an der Fassade verankerte Markisen und dergleichen.

► Klagefrist: Ein ruhiges und sachliches Gespräch mit dem Verursacher hilft so manchen Missstand zu beseitigen. Der Gang zur Hausverwaltung oder gar vor Gericht sollte immer der letzte Schritt sein. Eine Besitzstörungsklage ist übrigens nur innerhalb von 30 Tagen ab Kenntnis der Besitzstörung und der Identität des Verursachers möglich.

Diese Regelungen gelten auch im Wiener Gemeindebau. „Neben der Hausordnung haben wir auch Zusatzbestimmungen für einzelne Bereiche“, sagt Stefan Hayden, Unternehmenssprecher von Wiener Wohnen. „So etwa ist Radfahren im Hof nur Kindern erlaubt. Oberstes Prinzip ist die gegenseitige Rücksichtnahme.“ Was passiert, wenn man sich nicht an die Vorgaben hält? Bekommt die Hausverwaltung davon Wind, setzt sie dem betreffenden Mieter eine Frist, um den Missstand zu beheben. Tut er das nicht, kommt der Entrümpelungsdienst und entfernt Schuhregal, Fahrrad und Co. Auch eine Besitzstörungsklage oder eine Klage auf Unterlassung seien möglich, sagt Eliasz. Nachsatz: „Der erste Weg sollte aber immer das Gespräch mit den Nachbarn sein.“

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