Interdisziplinarität

Neue Mischungen für neue Lösungen

Mit an Hochschulen ungewöhnlichem Unterrichtsmaterial sollen (angehende) Manager Design Thinking üben.
Mit an Hochschulen ungewöhnlichem Unterrichtsmaterial sollen (angehende) Manager Design Thinking üben.NDU/David Schreiber
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Studienangebote kombinieren Disziplinen, die eigentlich keine Schnittmenge zu haben scheinen. Drei Beispiele.

In einer Welt, die mit Querschnittsthemen wie Klimawandel, Digitalisierung, Migration oder aktuell Pandemien konfrontiert ist, ist interdisziplinäres Denken geboten. An den heimischen Universitäten finden sich aber noch relativ wenige Studienrichtungen, die explizit disziplinenübergreifend konzipiert sind.

So mag erstaunen, dass die Universität für angewandte Kunst Wien ab Herbst einen Masterlehrgang für angewandte Menschenrechte anbieten wird. Der englischsprachige Master of Arts in Applied Human Rights, der von dem Menschenrechtsexperten Manfred Nowak geleitet werden wird, ist als Baustein einer Strategie zu sehen, Studierende auch für Berufsfelder jenseits der klassischen Kunstberufe zu qualifizieren, wenn auch mit Fokus auf künstlerischen Methoden.

• Menschenrechte und Kunst

Zielgruppe sind Juristen und Ökonomen ebenso wie Geisteswissenschaftler oder Techniker und Personen aus den Bereichen Kunst, Architektur und Design. „Die Wirkungsmacht von Kunst – Ermutigung, Widerspruch, Selbstermächtigung – brauchen wir auch und gerade an den Brennpunkten von Gesellschaften, dort wo Umbrüche, Unsicherheit, dramatische Veränderungen das Leben dominieren. Das sind oft auch jene Orte, an denen Menschenrechte umkämpft sind“, sagt Rektor Gerald Bast und verweist auf das Beispiel eines Aktionskünstlers wie Christoph Schlingensief, in dessen Arbeiten es – egal, ob in Wien oder in Afrika – immer um das Thema Menschenrechte gegangen sei.

Ziel des Lehrgangs ist allerdings nicht das Vermitteln von Know-how zur Kunstproduktion, sondern von Verständnis, wie Kunst in einer Gesellschaft wirken kann. Es wird davon ausgegangen, dass künstlerische Methoden wie das Abstrahieren des Status quo, das Infragestellen des Bestehenden, der Umgang mit Ungewissheit und Mehrdeutigkeit oder die Veränderung von Perspektiven dort Potenzial haben, wo konventionelle, politische oder ökonomische Methoden nicht mehr greifen. Für Menschenrechtspraktiker könne dieses Wissen hilfreich sein, um einerseits Künstler im Human-Rights-Umfeld einzusetzen und andererseits künstlerische Methoden anzuwenden, ohne selbst Künstler zu sein, sagt Bast. Die Angewandte ist – auch mit dem Bachelorstudium Cross Disciplinary Strategies – eine der ersten öffentlichen Universitäten, die bewusst auf Transdisziplinarität setzt.

• Soziales und Transformation

An Privatuniversitäten dürfte die Suche nach Nischen, die von öffentlichen Unis noch nicht besetzt sind, zu ungewöhnlichen Kombinationen führen. Ein neuartiges Programm im Bereich der Sozialwissenschaften wurde zum Beispiel an der Bertha-von-Suttner-Privat-Uni entwickelt. Dort soll im Herbst der berufsbegleitende Masterstudiengang Transformatives Inklusionsmanagement starten, als Angebot für Führungskräfte in der Sozialwirtschaft und auch für Quereinsteiger aus sozial-, human- oder wirtschaftswissenschaftlichen Fächern. Das Studium soll den Sozialbereich mit der Transformationsforschung verbinden – der Auseinandersetzung mit grundlegenden Umwandlungsprozessen. „Wir gehen davon aus, dass Inklusion einen Musterwechsel voraussetzt“, sagt Studiengangsleiter Oliver Koenig. Dieser Ansatz entspreche den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen, die die Schaffung einer inklusiven Gesellschaft bis 2030 als übergeordnetes Ziel definierten.

• Management und Design

Bereits die ersten Absolventen bringt in diesem Semester das Bachelorstudium Management by Design der privaten New Design University hervor, das wirtschaftliches und gestalterisches Denken verbindet. Laut Leiter Christoph Wecht wird das Studium sowohl von Personen mit kreativem als auch wirtschaftlichem Hauptinteresse besucht. „Gemeinsam ist allen, dass sie sich für die Überlappung der beiden Sphären interessieren, bei der es enormes kreatives Potenzial gibt – auch, weil es zu einer positiven ,Reibung‘ der unterschiedlichen Blickwinkel kommt“, so Wecht. Das verbindende Glied zwischen beiden Welten ist Design Thinking – eine Denkweise, die laut Wecht postuliert, dass man für komplexere Herausforderungen gestalterische Herangehensweisen einsetzen kann. Leider werde Design Thinking gerade im deutschsprachigen Raum als eine weitere Kreativitätsmethode missverstanden. Dabei handle es sich um ein grundsätzliches Mindset, dessen zentraler Bestandteil die Kultur des prototypischen Vorgehens sei. „Zentrale Annahmen und Hypothesen werden mit Prototypen getestet. Je schneller und öfter man dies macht, desto mehr lernt man schon früh im Prozess. Im Gegensatz dazu steht ein sequenzieller, planerischer Zugang, der erst nach einer längeren Planungsphase mit folgender Ausarbeitung die Bestätigung oder Ablehnung des Ergebnisses auf dem Markt oder in der Realität erfährt“, sagt Wecht. „Gerade die aktuelle Coronakrise verdeutlicht, dass wir dringend Entscheider benötigen, die den erstgenannten Zugang verinnerlicht haben.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.05.2020)

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